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Münchner Orchester bitten Söder um Anpassung der Zuschauerzahlen. Foto: Hufner
Bühnenverein: Theater kämpfen mit Doppelkrise aus Corona und Krieg. Foto: Hufner
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Bühnenverein: Theater kämpfen mit Doppelkrise aus Corona und Krieg

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Oldenburg - Russische Werke aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine abzusetzen - das hält der Präsident des Deutschen Bühnenvereins für den falschen Weg. Er plädiert für ein Eintauchen in die ukrainische Kultur.

Theater und Orchester in Deutschland haben nach Einschätzung des Deutschen Bühnenvereins mit einer zweifachen Krise zu tun: den Nachwirkungen von Corona und dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Den Theatern wie der Gesellschaft steckten die vergangenen zwei Jahre noch in den Knochen, sagte Vereinspräsident Carsten Brosda zur Jahreshauptversammlung am Donnerstag in Oldenburg.

«Jetzt geht es darum, das Publikum davon zu überzeugen, in die Häuser und in die Konzerte zurückzukehren», sagte Brosda, der auch Hamburger Kultursenator (SPD) ist, der Deutschen Presse-Agentur. «Diese Aufgabe ist nicht leichter geworden durch die neue Gesamtlage in unserer Gesellschaft mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine.»

Zwar gebe es zur Auslastung noch keine valide Statistik, «aber wir hören aus den allermeisten Häusern, dass man noch nicht wieder beim Vorkrisenniveau angekommen ist». Bei den Bemühungen, dem Publikum wieder Lust auf Theater zu machen, habe der russische Angriff auf die Ukraine vom 4. Februar als «zusätzliche Zäsur» gewirkt.

Brosda sah keine Gefahr, dass Bühnen angesichts der hohen Kosten der Corona-Krise geschlossen werden könnten. «Aber wir erleben schon - und das ist ein echtes Problem -, dass gerade die kommunalen Haushalte enger werden.» Die allermeisten Ausgaben der Theater und Orchester seien Personalausgaben und nicht beliebig steuerbar.

Andererseits brauche die Gesellschaft Kultur; sie sei der Raum, um gerade in schwierigen Zeiten eine «Perspektive zum Besseren» zu entwickeln. «Ich glaube, dass Theater kleine Fluchten aus dem Alltag bieten kann und zur Verhandlung der großen Fragen unserer Zeit anregt.» Ohnehin stehe fest, «dass man den Haushalt einer Kommune oder Stadt noch nie mit Kürzungen im Kulturetat hat sanieren können».

Mit einem Jobportal für geflüchtete Künstlerinnen und Künstler zeigten die deutschen Bühnen bereits Solidarität mit der angegriffenen Ukraine, sagte Brosda. Deutschland sollte mehr über die Ukraine lernen, forderte er: «Wir müssen definitiv feststellen, dass wir uns als Gesamtgesellschaft in den letzten Jahrzehnten mit der ukrainischen Kultur und ihrer eigenständigen Tradition nicht ausreichend beschäftigt haben.» Dabei gebe es viel zu entdecken.

Russische Werke aus Protest abzusetzen, hält der Senator nicht für sinnvoll. «Die russische Kultur ist reichhaltig, und wir müssen uns mit ihren Traditionen gerade jetzt auseinandersetzen, um zu verstehen, was passiert, welche Strategien man gegen den Krieg entwickeln kann.» Anders sei es in der Kooperation mit russischen Künstlern oder Institutionen. «Da müssen wir sehr genau darauf achten, Abstand zu halten zu allem, was der russische Staat als Symbol dafür verwenden könnte, dass ja doch alles gar nicht so schlimm ist in seiner Beziehung zum Westen.»

Der Deutsche Bühnenverein als Bundesverband der Theater und Orchester will bis Samstag in Oldenburg auch über Geschlechtergerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Kulturarbeit sprechen.

 

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