Mit einem „spartenübergreifenden Bühnenspektakel“ nach dem Film „E la nave va“ bespielt das Theater Regensburg verschiedene Orte seines Hauses am Bismarckplatz. Das beeindruckt nur streckenweise.

Magische Szene im Regensburger „Schiff der Träume“: Der Blick von der Bühne in den Zuschauerraum. Foto: Tom Neumeier Leather
Tag der offenen Tür mit Fellini: „Das Schiff der Träume“ am Theater Regensburg
Es beginnt wie eines der beliebten Balkonsingen vor dem historischen Theater am Bismarckplatz, doch die freudige Erwartung des zahlenden Publikums (und der zahlreichen Zaungäste) wird unterlaufen: Es ist eine Trauerfeier, deren Zeugen wir werden. Die Operndiva Edmea Tetua ist verstorben, zu Klängen aus Verdis „La forza del destino“ wird ihr Sarg auf den Ozeandampfer Gloria N. gebracht. Es ist dies „Fellinis Schiff der Träume“, so der merkwürdige deutsche Titel von Federico Fellinis Film „E la nave va“ von 1983, und dieses Schiff wiederum ist in diesem Fall das Theater Regensburg, das in dieser spartenübergreifenden Produktion unter der Regie Philipp Westerbarkeis als Stationentheater bespielt wird.

Prolog vor dem Theater: Franziska Sörensen als Päpstin. Foto: Tom Neumeier Leather
Dem stimmungsvollen, akustisch jedoch leider unterbelichteten Prolog – die Schauspieler sind nicht ausreichend verstärkt, die Holzbläser auf dem zweiten Balkon sind im Gegensatz zum Blech unhörbar – folgt die Vorstellung der Passagiere. Im Neuhaussaal ist eine dekadente Tafel gedeckt, wie im Film präsentiert uns der Reporter Orlando (Paul Wiesmann) zu Walzerklängen das merkwürdige Personal der Reise: Unter anderem diverse Opernintendanten, eitle Sänger und eine synästhetisch begabte Prinzessin (Lilly-Marie Vogler) begleiten die Tetua auf ihrer letzten Reise. In ihrer mäandernden Planlosigkeit funktioniert diese Szene recht gut, auch wenn die Umdeutung von Fellinis melancholischem Humor in überdrehte Komik auf Dauer etwas bemüht wirkt.
Das gilt dann auch für die erste der drei folgenden Stationen, für die das Publikum in Gruppen aufgeteilt wird. Die Poesie des auf gestimmten Gläsern gespielten Moment musical Schuberts wird von den Clownerien der sich streitenden Zwillingsbrüder konterkariert, das Mitleid mit dem liebeskranken Nashorn von Montis Csárdás hinweggefegt. Noch weniger überzeugt das einsilbige Interview, das Orlando unter Vermittlung der Prinzessin mit dem an einer Ballettstange übenden Großherzog (Michael Heuberger) zu führen versucht.
Als Problem erweist es sich im Laufe des Abends außerdem, dass die Wechsel der Spielorte nicht ausreichend inszeniert sind. Anstatt dass die Stimmungen der Szenen fortgesetzt würden, laufen die drei Zuschauergruppen sich einfach wie bei einem Tag der offenen Tür plaudernd über den Weg.
Schade ist das vor allem im Kontext der stärksten Sequenz des Abends: Auf der Bühne sitzend erleben wir, wie Tetuas früherer Liebhaber am Sarg von ihr Abschied nimmt. Auf einen durchsichtigen Vorhang werden Maria-Callas-Szenen projiziert, dahinter stimmt Theodora Varga als Edmea Puccinis „Un bel dì vedremo“ an. Wie Schauspieler Joscha Eißen mit gebrochener Stimme mitsingt und vergeblich versucht, seiner Geliebten durch den Vorhang Blumen zu reichen, ist von bezwingender Theatralität. Dann geht im Zuschauerraum das Licht an, und von der Mittelloge aus beglückt die Sängerriege die serbischen Bootsflüchtlinge mit Arienhäppchen. Diese Umdeutung einer bitterbösen Szene aus Fellinis Film – dort begeben sich die illustren Passagiere in den Maschinenraum und unterhalten die Arbeiter mit einem Spitzenton-Wettbewerb – ist wunderbar gelungen.

Überlebender mit Nashorn: Paul Wiesmann als Reporter Orlando. Foto: Tom Neumeier Leather
Beim Finale im Zuschauerraum kommt das komplette Publikum schließlich wieder zusammen. Auch hier verzichtet Regisseur Westerbarkei auf eine zeitliche Einordnung des Geschehens (Fellinis Film ist 1914, um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs herum angesiedelt). Ganz zeitlos wird eine am Rande des Abgrunds tänzelnde Gesellschaft mit Klängen aus Verdis „Aida“ und „La Traviata“ (Theodora Varga mit schönen Piani in „O Patria mia“ und „Addio del passato“) und aus seinem Requiem („Dies irae“ und „Tuba mirum“) versenkt. Hier darf das bis dahin eher unterforderte Philharmonische Orchester unter Tom Woods endlich so richtig aufdrehen; vom dritten Rang aus versucht der Opernchor, so gut es geht, dagegen anzusingen.
Wie im Film beruhigt uns Orlando am Ende: Viele haben überlebt, und vor allem: Das Nashorn gibt leckere Milch! So endet dieses bewundernswert aufwändige, insgesamt aber nicht eben tiefschürfende Spektakel mit einem Augenzwinkern. E il teatro va…
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