„Der Joe“. Zwei Silben, und man wusste, wer gemeint ist: Joe Viera, Jazzsaxophonist, Big-Band-Leader, Pädagoge, Buch-Autor, Festivalmacher. Die meisten kannten ihn als künstlerischen Leiter und Mitbegründer der Internationalen Jazzwoche Burghausen. Das Festival am südöstlichen Rand Bayerns besteht seit 1970. Über 50 Jahre stand Vieras Name hinter dem Programm. Seit 2022 war Viera aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bei der Jazzwoche anwesend. In jenem Jahr wurde aber in der „Street of Fame“ der Altstadtgasse „In den Grüben“ eine Bronzeplatte ihm zu Ehren verlegt – direkt neben jener für die große Sängerin Ella Fitzgerald.

Mit Julian Wasserfuhr. Foto: Andreas Kolb
Karierte Jacketts und blitzender Geist
Den Namen Viera spricht man wie die Zahl vier mit einem angehängten A. Viera war Münchner: München nannte er seine „erste Heimat“. Aus dem „Ur-Schwabing östlich der Leopold- und Ungererstraße“ zog er nie weg, fühlte sich aber „als Europäer und Weltbürger“. Am 4. September 1932 wurde Josef Viera in München geboren. Im zweiten Weltkrieg hörte er mit Hilfe einer selbstgebauten Antenne verbotene Radiosender und begeisterte sich für die Musik von Swing-Big-Bands. Die Musik aus dem Land der sogenannten Feinde lernte er damals als „Lebensmittel“ schätzen, um schwere Zeiten besser zu überstehen.
Sein erstes Jazzkonzert erlebte er 1952 im Circus Krone, am Tag seiner letzten Abitur-Arbeit. Sein erstes Saxophon kaufte er einem Freund für 70 Mark ab – als die Halbe Bier in München 50 Pfennig kostete. Viera studierte Physik, wandte sich nach dem Abschluss aber sofort ganz der Musik zu. „Von der Physik habe ich das Denken gelernt, von der Musik das Fühlen“, sagte er. Seine Musiker-Karriere begann mit Dixieland bei den „Hot Dogs“. Traditionellen Jazz spielte er auch mit der „Riverboat Seven“. In 1960er Jahren kam Free Jazz in einem Trio mit Bassist Manfred Eicher hinzu, dem späteren berühmten Labelchef (ECM). Ein zeitgenössisches Quartett leitete Viera von 1968 an mit dem Posaunisten Ed Kröger.
In Burghausen gründete Viera 1972 auch Jazzkurse, die es bis heute gibt – und die viele später bekannte Musiker durchliefen: Trompeter Claus Reichstaller, die Bassisten Thomas Stabenow und Dieter Ilg, die Schlagzeuger:innen Carola Grey und Guido May, Saxophonist Peter Weniger und das Brüderpaar Roman (Pianist) und Julian Wasserfuhr (Trompeter). Viera leitete die Uni-Big-Band München, unterrichtete an den Universitäten in Duisburg und Hannover, reiste fürs Goethe-Institut nach Afrika und China. Er hat Lehrbücher geschrieben und das Buch „Jazz – Musik unserer Zeit“ (Oreos Verlag).
Unnachahmlich waren seine Bühnenansagen in Burghausen: kurz, pointiert und voller Hintersinn. Joe Viera, der Mann mit der Brille und den charakteristischen, karierten Jacketts, konnte auch vorzüglich formulieren. Ein gern zitierter Ausspruch von ihm lautete: „Zum Aufhören habe ich keine Zeit.“
Doch am 7. April 2024 ist der große Vermittler und Jazzbeweger Joe Viera im Alter von 91 Jahren gestorben. „Der Joe“ wird vielen fehlen.
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