Macht Musik wirklich schlau? Wie wirkt Musik im Kopf? Wie agierten Gstanzlsänger früher und heute im „Spielfeld“ zwischen Anarchie und Anpassung? Wie kann man mit Klassen niveau- und lustvoll komponieren und improvisieren? Neue Aufgabenkultur für den LehrplanPLUS – wie muss man sich das vorstellen, wie funktioniert das für den Musikunterricht? Wie lässt sich mit Klassen kompetenzorientiert musizieren? – Bereits diese kleine Auswahl aus knapp 60 Veranstaltungen lässt erahnen, wie facettenreich die Fragen waren, denen sich Referentinnen und Referenten im Rahmen der „Tage der Bayerischen Schulmusik“ widmeten. Gut 350 Musiklehrkräfte aus Bayern und Niedersachsen nutzten die Gelegenheit, drei Tage lang etwas über aktuelle fachwissenschaftliche Erkenntnisse zu erfahren, mit aus dem In- und Ausland angereisten Expertinnen und Experten zu diskutieren und in Workshops konkrete Impulse für die eigene Unterrichtsgestaltung zu erhalten.
Auch bildungspolitische Themen wurden angesprochen, etwa in einer Podiumsdiskussion zum Thema „10 Jahre gymnasiales Lehramt Musik in der Fächerverbindung“ und in Heidi Speths kämpferischer Eröffnungsrede. Letztere sowie der anschließende Festvortrag von Prof. Dr. Andreas C. Lehmann bekamen einen ganz besonderen musikalischen Rahmen: Der Große Chor des Sophie-Scholl-Gymnasiums München bot unter Leitung von Eva Lücking szenische Ausschnitte aus dem Musiktheaterprojekt „Sommernachtstraum“. Das Ensemble machte auf ganz besondere Weise deutlich, was MACHT MUSIK bedeuten kann; der fulminante und musikalisch hochkarätige Auftritt wurde weit über die Eröffnungsfeier hinaus gewürdigt und als Vorbild in Diskussionen eingebracht.
Parallel zum Kongressprogramm in der Hochschule für Musik und Theater in München gab es heuer auch eine Reihe weiterer „Spielorte“ in der Stadt, an denen Kooperationspartner des VBS interessante Fortbildungsmöglichkeiten boten: In den Schwabinger Räumen der Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft bestand die Möglichkeit, an authentischem Ort etwas über den musikalischen Widerstand des Komponisten gegen die Gräuel der 1930er- und 1940er-Jahre in Erfahrung zu bringen. Passend dazu informierte das NS-Dokumentationszentrum München in einem Vortrag über Musik im KZ Dachau. Im Kulturzentrum am Gasteig bestand die Möglichkeit, am Projektkonzert „Die Gretchenfrage“ von „Spielfeld Klassik“, dem Education-Programm der Münchner Philharmoniker, teilzunehmen. Die Konzertpädagoginnen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks luden zu einem Konzertbesuch des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms ein, dem eine von Schülerinnen konzipierte und moderierte Konzerteinführung voranging.
Ein Novum in der traditionsreichen Fortbildungsreihe stellte sicherlich die Klang- und 3-Kanal-Film-Installation „Gedicht einer Zelle“ dar. Nach Stationen auf Sansibar, in Spanien, Israel und München war das multimediale Werk während aller drei Kongresstage zu erleben. Ergänzend führte Bernhard Hofmann ein Podiumsgespräch mit dem Münchner Sound- und Performance-Künstler, Komponisten, Musikproduzenten und Label-Chef Stefan Winter, der die Installation konzipierte.
Mitgliederversammlung
Im Anschluss an die „Tage der bayerischen Schulmusik“ fand wie gewohnt die jährliche Mitgliederversammlung des VBS statt. Heidi Speth und weitere Vorstandsmitglieder konnten über eine ganze Reihe von Aktivitäten berichten. Der Verband hat derzeit 916 Mitglieder (Stichtag: 10.3.1018). Bezüglich der Verbandsfinanzen konnte Kassenwart Reinhard Eckl zeigen, dass die Sanierungs- und Konsolidierungsarbeit der vergangenen sieben Jahre Früchte trägt. Der Verband verfügt über ein stabiles finanzielles Polster, ohne das ausgabenintensive und langwierige Unternehmungen wie die UPZ-Aktion nicht möglich wären.
UPZ-Aktion
Wie bereits ausführlich in der nmz 11/2017 dargelegt, wurde die Klage auf Anerkennung des Fachs Musik an nicht-musischen Gymnasien als „wissenschaftlicher Unterricht“ und eine entsprechende Angleichung der Stundendeputate im vergangenen Juli vom Verwaltungsgericht München abgewiesen. Der Richter räumte jedoch die Möglichkeit einer Berufung ein. Mit Unterstützung der VBS-Arbeitsgruppe „UPZ“ und des Fachanwalts Michael Zimpel legten die vier Klägerinnen und Kläger fristgerecht Berufung ein. In der ausführlichen Begründung wird unter anderem damit argumentiert, dass das wechselseitige Zusammenwirken von Theorie und Praxis im Fach Musik genauso wenig als „Einbahnstraße“ zu denken sei wie für die meisten anderen Schulfächer, und dass nicht einfach pauschal davon ausgegangen werden könne, dass der Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung von „praktischem“ Unterricht geringer sei als bei „theoretischem“ Unterricht.
Im Januar traf schließlich ein Antwortschreiben der Landesanwaltschaft Bayern bei den Klägern ein, in dem im Wesentlichen die bereits in den Jahren 2015 und 2016 vorgebrachten Argumente des Dienstherren nochmals zusammengefasst sind. Nun bleibt abzuwarten, ob und wann es angesichts der chronischen Überlastung der Verwaltungsgerichte zu einer erneuten mündlichen Verhandlung kommen wird. Nach Einschätzung des betreuenden Rechtsanwalts dürfte sich das Verfahren wohl bis ins Jahr 2019 hinziehen.
Rückenwind bekommt die Initiative mittlerweile auch von Seiten des Bayerischen Musikrats: Präsident Dr. Thomas Goppel unterstützt das Anliegen und machte es zum Teil des Forderungskatalogs des BMR. Im Zusammenhang mit der UPZ-Kampagne möchten wir aber auch nochmals alle unsere bayerischen Kolleginnen und Kollegen bitten, unser gemeinsames Anliegen aktiv zu unterstützen. Jeder einzelne kann in seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld dazu beitragen, dass Musiklehrkräfte künftig nicht mehr „Lehrer zweiter Klasse“ sind: Sprechen Sie die Menschen in Ihrem Umkreis auf die Situation an! Machen Sie, möglichst auch in öffentlichen Veranstaltungen, Kollegen, Schulleitungen und Eltern auf die Problematik aufmerksam – und ergänzen Sie so unsere juristischen und politischen Aktivitäten durch die nicht minder wichtige „Stimmungsarbeit“ an Ihrem jeweiligen Wirkungsort! Und: Unterstützen Sie uns weiterhin durch Argumente und Zuspruch! Beides war in den vergangenen Jahren immer wieder hilfreich.
Fortbildungsaktivitäten
Im vergangenen Jahr erschien zum zweiten Mal in der Geschichte des VBS ein repräsentativer Tagungsband. Unter dem Titel „Plan|mä|ßig. Schulmusik unter den Vorzeichen von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung“ sind hier theoretische und praktische Beiträge des gleichnamigen Kongresses 2016 zusammengefasst, als Herausgeber fungierte wieder Bernhard Hofmann. Das Buch wurde allen Mitgliedern als Jahresgabe zugeschickt und findet auch überregional Beachtung.
Nach dem Fortbildungstag zum Thema „Musik und Bewegung“ im vergangenen März in Erlangen floss viel Zeit und Energie in die Organisation der Tage der bayerischen Schulmusik 2018. Beide Veranstaltungen wiesen hohe Teilnehmerzahlen auf. Offenbar ist es also gelungen, ein Fortbildungsangebot zu konzipieren, das gut zu den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen passte.
Kontakte zu anderen Verbänden und Institutionen
In bewährter Weise gepflegt wurden die Kontakte mit Ansprechpartnerinnen und -partnern aus Kultusministerium, ISB, Bayerischem Musikrat und dem Arbeitskreis der bayerischen Musikdidaktiker (AMD); im Zuge der UPZ-Aktion ergab sich auch ein Dialog mit Vertretern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Ein besonders positives Zeichen setzte die Anwesenheit von Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, und von Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, bei der Eröffnungsfeier der „Tage der bayerischen Schulmusik“.
Martina Raab engagierte sich weiterhin im Kontakt zum Bayerischen Realschullehrer-Verband (BRLV) und konnte dabei einen wichtigen Erfolg erzielen: Seit seiner Delegiertenversammlung im Herbst 2017 unterstützt der BRLV das Anliegen, Musik im Fächerkanon der Realschule mit den anderen Unterrichtsfächern gleichzustellen (Anerkennung als wissenschaftliches Fach; Musik als Vorrückungsfach; Vermerk der Musiknote im Abschlusszeugnis). Auch der BRLV war bei der Eröffnungsfeier der „Tage der Bayerischen Schulmusik“ prominent vertreten, zum einen durch seinen Schatzmeister Jakob Pritscher, zum anderen durch den Bezirksvorsitzenden für Oberbayern, Peter Frohberg.
Ebenfalls sehr erfreulich entwickelt sich der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen vom VdS Niedersachsen, mit denen der VBS seit 2016 in der Deutschen Gesellschaft für Schulmusik auch organisatorisch eng kooperiert. Neue, vielversprechende Ansätze zu einer künstlerisch-pädagogischen Kooperation ergaben sich im vergangenen Jahr in der Begegnung mit Prof. Peter Michael Hamel, der die Abteilung Musik der Bayerischen Akademie der Schönen Künste leitet – und heuer gemeinsam mit dem Augsburger Musiker Njamy Sitson einen Improvisationsworkshop auf den „Tagen der Bayerischen Schulmusik“ gestaltete.
Stellensituation
Die Anstellungssituation bereitet weiterhin Sorge; das gilt sowohl für das Lehramt an Gymnasien als auch für den Realschul-Bereich. Im Februar 2018 wurden von 25 Bewerber/-innen um eine Planstelle an Gymnasien 3 eingestellt; eine Grenznote wurde aus Datenschutzgründen nicht bekanntgegeben. Es schlägt zwar positiv zu Buche, dass seit Sommer 2016 unterschiedliche Wartelisten für Musik als Doppelfach beziehungsweise Musik in der Fächerverbindung geführt werden. Dennoch erhalten auch ausgezeichnete Musiklehrkräfte mit einem Notenschnitt von 2,0 und besser nicht sofort eine Planstelle. Gleichzeitig gibt es nach wie vor eine Reihe von Schulen, an denen Musikunterricht in erheblichem Umfang fachfremd oder durch Quereinsteiger erteilt werden muss, mitunter entfällt er sogar ganz. Bedarf gäbe es vielerorts, oftmals jedoch sind nicht genügend Stunden für die Beantragung einer Planstelle mit 27 Stunden Musik vorhanden. Zwei Dinge könnten die Situation auf lange Sicht verbessern helfen: ein Erfolg in der UPZ-Klage und eine höhere Zahl von Bewerbern mit dem Fach Musik in der Fächerverbindung. Für angehende Realschullehrkräfte hat sich die Situation ein wenig verbessert; dies ist allerdings auch durch einen Rückgang der Referendarszahlen bedingt. Im September 2017 wurden von insgesamt 84 Bewerber/-innen circa 25 eingestellt. Ab 2020 rechnet das KM für das Lehramt an Realschulen wieder mit höheren Einstellungszahlen (Lehrerbedarfsprognose 2017). Längerfristige Prognosen für die Einstellungssituation im Fach Musik sind angesichts der geringen Fallzahlen aber generell nur sehr schwer zu treffen. Viele junge Kolleginnen und Kollegen halten sich nach wie vor mit Aushilfsverträgen über Wasser, eine Reihe erhält auch Stellen an städtischen, kirchlichen oder privaten Schulen.
G9
Die jetzigen Fünftklässler werden bekanntermaßen ihr Abitur wieder nach 9 Jahren ablegen. Im vergangenen Jahr wurden die künftigen Stundentafeln veröffentlicht. Zahl und Verteilung der Stunden bleibt demnach im Fach Musik für die Stufen 5 – 10 unverändert, was angesichts der heftigen Verteilungskämpfe zwischen den Fächern nicht selbstverständlich war und zu einem guten Teil dem intensiven Einsatz der Fachvertreter im Ministerium zu verdanken ist. In der Jahrgangsstufe 11 wird Musik künftig als Wahlpflichtfach alternativ zu Kunst zweistündig geführt – zunächst ein erfreulicher Zugewinn für das Fach. Allerdings hat diese Medaille auch eine Kehrseite: Die inhaltliche Ausgestaltung der 11. Klasse wird nicht ganz einfach sein; einerseits sollen die Schülerinnen und Schüler gut auf den Eintritt in die Qualifikationsphase vorbereitet werden, andererseits soll eine Nichtbelegung (zum Beispiel wegen eines Auslandsaufenthalts) in der 11. Klasse nicht automatisch dazu führen, dass ein Schüler in Klasse 12 hinter den anderen herhinkt oder das Fach in der Q-Phase gar nicht belegen kann. Der VBS-Vorstand bleibt diesbezüglich in der Diskussion mit KM und ISB. Besonders wichtig ist uns dabei, dass auch in der künftigen, neu zu gestaltenden Q-Phase begabte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, ihre instrumentalen oder vokalen Fähigkeiten ins Abitur einzubringen.