Hauptbild
nmz-Streaming-Empfehlungen vom 25.9. bis zum 1.10.2020
nmz-Streaming-Empfehlungen vom 25.9. bis zum 1.10.2020
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Unübersehbar #20 – nmz-Streaming-Empfehlungen vom 25.9. bis zum 1.10.2020

Publikationsdatum
Body

Von Zürich bis zur Reeperbahn ist es nur ein Mausklick in der 20. Ausgabe unserer Streaming-Tipps: Erleben Sie kuratierte Diversität, einen isolierten Herrscher, unerhörte Musik, eine ostalgische Melodienfolge und die Schwarm-Intelligenz des Pop-Diskurses. Was für eine „Karambolage“… [jmk]


25. September


Symposium Curating Diversity in Europe – Decolonizing Contemporary Music
25.9.2020, ab 10:30 Uhr
Live-Stream auf der Webseite von Sounds Now und im YouTube-Kanal der Akademie der Künste

Um die Diversität in der zeitgenössischen Musik muss man sich heute weitaus weniger sorgen machen als noch vor einigen Jahrzehnten. Dennoch sind auch der ästhetische Pluralismus und die zunehmende Internationalisierung der „Neue-Musik-Szene“ immer noch stark von einer eurozentristischen Perspektive geprägt und gedacht. Unter Federführung der Berliner Akademie der Künste und Sounds Now (ein europäisches Netzwerk für zeitgenössische Musik und Klangkunst) widmet sich das Symposium „Curating Diversity in Europe“ in Kooperation mit dem Ultima Festival Oslo und der Initiative Neue Musik Berlin aktuellen Fragen musikalischer Programmierung: „Im Fokus stehen Prozesse und Profile des Kuratierens, die Machtstrukturen und eurologische Denkmuster kritisch hinterfragen und zur Neuausrichtung politische, kollektive oder partizipative Strategien in den kuratorischen Entscheidungsakt implementieren.“ Online und vor Ort an der Berliner Akademie der Künste gibt es unter Leitung der Komponisten Du Yun und Sandeep Bhagwati Paneldiskussionen zu den Themen „Emanzipation“, „Dekolonisierung“ und „Raubmusik“. Als mehrgleisig befahrbares, interaktiv nutzbares Veranstaltungsformat aus Keynotes, Panels, Chats und Networking will das Symposium in Pandemiezeiten den internationalen Austausch fördern. Die Vorträge und Diskussionen werden aber auch dauerhaft in Form von Videodokumentationen archiviert. Die Liste der Akteure ist u. a. mit Elaine Mitchener, George E. Lewis, Lars Christian Koch (HumboldtForum, Berlin) und Stefanie Carp (Ruhr-Triennale) prominent bestückt.
Anfang Mai 2021 (6.-9. Mai) findet beim Festival „Memories in Music“ an der Akademie der Künste Berlin eine Fortsetzung des Symposiums statt.
[Dirk Wieschollek]


Ab 26. September


Oper Zürich: Modest Mussorgsky –„Boris Godunow“
26.9.2020 um 18.30 Uhr (Vorprogramm ab 18.00 Uhr)
Live-Videostream auf der Homepage der Oper Zürich

Das Opernhaus Zürich läuft in Post-Lockdown-Zeiten mit einer etwas höheren Drehzahl als vergleichbare deutsche Opernhäuser. Mehr Maske, mehr belegte Plätze, große Chöre, dichtere Orchester, mehr kalkulierter Pragmatismus. In Hamburg wurde gerade Mussorgskys „Boris Godunow“ gegen eine musikalische Collage ausgetauscht, der sogar Frank Castorf nur mit szenischem Minimalismus begegnete.
In der Oper Zürich wurde gerade das russische Choropern-Historienpanorama, sogar in epischer Breite, von Barrie Kosky als Resultante der in der Schweiz praktizierten Vektoren für den Opernbetrieb auf die Bühne gebracht. Dabei waren der Chor und das von Kirill Karabits geleiteten Orchesters außer Haus im Probensaal platziert. Ins Opernhaus wurde ausgeklügelt und technisch perfekt übertragen. Als Regie-Meister aller Klassen hatte Kosky seinen Bayreuther Hans Sachs, Michael Volle, auf seiner Seite. Also genau das vokale und darstellerische Schwergewicht, das er für jenes packende Psychogramm des isolierten Herrschers brauchte, das ihm nach der Premiere allenthalben bescheinigt wurde.
Da die Oper Zürich auch beim Ausbau und der Nutzung ihrer digitalen Angebote ganz vorn mitspielt, gibt es für all die Neugierigen, denen eine Reise nach Zürich nicht möglich oder heutzutage zu risikoreich ist, dennoch die Möglichkeit, das Gelingen dieser Oper nach Schweizer Machart zu überprüfen. Diese aktuelle Neuproduktion wird am 26. September 2020 um 18.30 Uhr im Live-Stream übertragen. Dazu gibt es ab 18 Uhr ein Vorprogramm mit Interviews und Backstage-Berichten. In diesem Format werden verschiedene Perspektiven geboten: neben dem Geschehen auf der Bühne gibt es auch Blicke auf den Dirigenten und das Orchester. Koskys „Boris Godunow“ ist danach 48 Stunden gratis online unter www.opernhaus.ch verfügbar.
Das Streaming-Angebot ist Teil eines dreitägigen digitalen Opernfestivals unter dem Label „Oper für alle“. Im Rahmen dieser drei Tage gehen auch noch Jan Philipp Glogers Inszenierung von Kálmáns „Csárdásfürstin“ u.a. mit Annette Dasch, Pavol Breslik und Lorenzo Viotti am Pult (am 25. September) und Donizettis „Maria Stuarda“ in der Regie von David Alden mit Enrique Mazzola am Pult und u.a. mit Diana Damrau (am 27. September) mit den gleichen Konditionen an den Start.
[Joachim Lange]


29. September


Unerhörte Musik im BKA: Jan Gerdes’ Klavierrecital „Color me in“
29.9.2020, 20.00 Uhr
Live-Videostream auf YouTube, Infos auf der Website des Veranstalters

Man kann vor Ort zuhören, man kann den Pianisten Jan Gerdes bei seiner Vorstellung aber auch weltweit begleiten. Nicht weniger als drei Uraufführungen sind dabei: Andile Khumalo: „Colour Me In“ (2016), Christian Ofenbauer: „Klavierstück“ (2018) und vom Pianisten selbst: „Gecko“ (2012/2020). Also wirklich unerhörte Musik in unserer Rubrik unübersehbar. Das Stück von Khumalo gab dem Abend seinen Namen und soll anzeigen, dass sich der Pianist zukünftig verstärkt mit der Musik des afrikanischen Kontinents beschäftigen möchte. Weitere Stücke stammen von Andreas Staffel, Sidney Corbett, George Crumb und Roger Trefousse, dessen Hommage an Grete Sultan („Grete“) zur deutschen Erstaufführung gelangt. Die Veranstaltung ist Teil des „Monats der zeitgenössischen Musik“ in Berlin.
[Martin Hufner]


Bis auf weiteres verfügbar


Karambolage. Eine Liebesgeschichte mit viel Musik von Conny Odd und Maurycy Janowski. Melodienfolge (1969)
Audiostream on demand auf YouTube

Die aktuelle halbszenische Produktion von Gerhard Kneifels „Bretter, die die Welt bedeuten“ nach dem Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“ der Musikalischen Komödie Leipzig ist die allererste Produktion eines in der DDR entstandenen Musical-Klassikers nach 1989, der nicht aus der Feder der Gattungsmagnaten Guido Masanetz und Gerd Natschinski stammt. Carlernst Ortwein (1916–1986), Professor an der Leipziger Musikhochschule, war unter dem Pseudonym Conny Odd in der DDR der wichtigste Komponist von Musicals mit Sujets aus dem sozialistischen Alltag. „Karambolage“ nach dem Film „Geliebte weiße Maus“, uraufgeführt in Gera 1969, galt als einer der bis dahin besten und deshalb viel gespielten Titel des Heiteren Musiktheaters der DDR. Die Liebe zwischen dem VoPo-Hauptwachtmeister Peter Berger und der Kunststudentin Barbara Lenz überwindet redundante Vorurteile und Scheuklappen. Diese Melodienfolge mit damaligen Publikumsmagneten wie Brigitte Kreuzer und Ellen Weber wurde nach der Wende nie wieder auf physischen Tonträgern veröffentlicht. Fast die gesamte Operetten- und Musical-Produktion der Nachkriegszeit aus Deutschland Ost und West rutschte neben den amerikanisch-britischen Musical-Importen ab ins Vergessen. Es wird Zeit für die wissenschaftliche Erschließung und theatrale Testballons des musikalischen Unterhaltungstheaters zwischen „Feuerwerk“ (1950) und „Linie 1“ (1986): „Ich leite den Verkehr, als ob‘s ein großes Symphonie-Orchester wär’.“, singt der Herr Hauptwachtmeister: Ein Beitrag zur bald Archäologie werdenden Ostalgie. Aufgrund der Dringlichkeit des Themas ausnahmsweise nur akustisch.
[Roland H. Dippel]

Reeperbahn Festival 2020
Videostreams on demand auf der Festival-Homepage

Vom 16. bis 19. September fand das Reeperbahn-Festival in Hamburg statt. Künstler*innen und Gruppen wie Die Sterne, Drangsal und Niels Frevert traten vor kleinem Publikum und im Stream auf. Das Reeperbahn Festival ist quasi das Donaueschingen der Pop-Musik. Es ist das europaweit größte Clubfestival. Es gibt Konzerte, Diskussionen und Preisverleihungen. Man trifft Kolleg*innen und hofft neue Künstler*innen zu entdecken. Viele Popstars traten bereits vor ihrem Durchbruch hier auf.
Nachzusehen sind neben den Konzerten auch einige Talks, die über den Pop-Diskurs hinaus interessant sind: „Wie intelligent ist der Schwarm“ über die Macht des Publikums u.a. mit  Katharina von Radowitz, der Geschäftsführerin des Netzwerks Junge Ohren, und Andrea Rothaug, Präsidentin von RockCity Hamburg. Oder man kann Kübra Gümüşay aus ihrem neuen Buch „Sprache und Sein“ lesen sehen und hören. Alles in allem lohnt es sich durch die Videothek zu stöbern.
[Juana Zimmermann]

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!