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Opernsaal der Staatsoper Stuttgart

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Droht der letzte Vorhang? Neue Opern-Debatte in Stuttgart

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Eine größere Bühne? Oder gleich ein neuer Bau? Die Pläne liegen auf dem Tisch. Nun könnte das Milliardenprojekt wieder wackeln. Denn mit einer längeren Bauzeit dürften auch die Kosten steigen.

So sehr kann man daneben liegen. Als vor zehn Jahren die ersten Planungen für die Sanierung der Stuttgarter Oper bekannt wurden, da mahnte die damalige Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) noch, das Projekt dürfe «kein Fass ohne Boden» werden. Die Entscheidungen würden mit Augenmaß gefällt, versprach sie. Und der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) erinnerte mahnend an die Kostenexplosion der Hamburger Elbphilharmonie und sagte: «Das darf uns nicht passieren.»

Weit gefehlt: Inzwischen ist der Zeitrahmen für Planung und Arbeiten von bis zu neun Jahren gesprengt. Und damit dürften sich auch die damals genannte Summen als Fehlplanung erweisen.

Spannung vor der Sitzung der Entscheider

Mehr noch: Nach den jüngsten und offiziell nicht bestätigten Berichten über eine vier Jahre längere Bauzeit für die Übergangsoper und nach Warnungen vor einem deutlichen Anstieg der einst genannten Höchstsumme von einer Milliarde Euro wird das ganze Projekt erneut offen infrage gestellt. Wieder werden Neubauten favorisiert, abermals wird der kostspielige Bühnenumbau kritisiert und es wird diskutiert, ob solche Planungen in der Kultur noch zeitgemäß sind angesichts von Kriegen und Krisen.

Mit Spannung wird die nächste Tagung des Verwaltungsrats der Württembergischen Staatstheater am kommenden Montag (18.11.) erwartet. Entschieden wird dann zwar nichts, aber es wird ein neuer Zeitplan bekannt, an dem sich auch eine Kostensteigerung ablesen lassen könnte. Die Karten werden dann wahrscheinlich neu gemischt. Denn die politische Begeisterung dürfte nachlassen, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen und die Parteien sich im Landtagswahlkampf positionieren müssen. Kommt am Ende alles anders?

Die Debatten kennt man schon etwa aus Köln, wo der Fertigstellungstermin für die Oper wieder und wieder verschoben wird und sich die Kosten für die Opernsanierung zuletzt auf 800 Millionen Euro erhöht haben. Auch in Augsburg steigen die Aufwendungen für die Sanierung des Staatstheaters samt neuem Anbau, sie dürften bis zu dem für das Jahr 2030 vorgesehenen Abschluss der Arbeiten noch weiter zulegen. Dasselbe am Nationaltheater in Mannheim und am Badischen Staatstheater in Karlsruhe.

Neubau oder Sanierung?

Angesichts solcher schlechten Erfahrungen bei Sanierungen liegt der Gedanke an einen Neubau in Stuttgart gar nicht so fern. Auch in Frankfurt soll die Theaterdoppelanlage abgerissen und eine neue Oper gebaut werden, ebenso in Düsseldorf, und auch in Hamburg hatten Investoren über eine neue Oper in der Hafencity nachgedacht.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es wird kein Interimsbau benötigt, für den an den Wagenhallen in Stuttgart bislang noch ein dreistelliger Millionenbetrag vorgesehen sind. Außerdem sind Kosten und Zeitplan für einen Neubau deutlich besser zu kalkulieren als bei einem Sanierungsprojekt in einem denkmalgeschützten Gebäude mit vielen Unbekannten. Und würden nur Ballett und Konzerte dort aufgeführt und die Oper andernorts spielen, könnten die Pläne für den sogenannten Littmann-Bau abgespeckt werden. Saniert werden muss er aber auf jeden Fall.

Steuerzahlerbund und Politiker fordern Pläne für Neubau

Eine Debatte über einen Neubau fordern auch Steuerzahlerbund und die politische Opposition, sollten die Kosten wie befürchtet aus dem Ruder laufen. «Es stellt sich die Frage, ob der eingeschlagene Weg noch der richtige Weg ist», sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Rivoir. Seine Fraktion will über eine Anfrage erfahren, unter welchen Umständen die Landesregierung zu einem Stopp des Vorhabens bereit wäre. Aus Sicht der SPD sollte erneut diskutiert und ein Neubau für die Oper statt einer Zwischenlösung in den Blick genommen werden. Ähnliche Stimmen sind seit längerem auch aus den Reihen der CDU zu hören.

Der Rechnungshof formuliert noch vorsichtig: «Grundsätzlich halten wir es bei allen Großprojekten für zwingend, bis zu einer Entscheidung über die Umsetzung Alternativen abzuwägen und Sollbruchstellen für mögliche Einsparungen zu definieren», heißt es dort. So könne gegebenenfalls reagiert werden, wenn sich Kostensteigerungen abzeichneten.

Politische Unterstützung wackelt

Schon vor zwei Jahren hatten Regierungskreise eine Verdopplung der Kosten nicht ausgeschlossen. Bislang war offiziell von bis zu einer Milliarde Euro die Rede - inklusive Risikopuffer und im ungünstigsten Fall. Stadt und Land teilen sich als Träger des größten Dreispartenhauses der Welt die Kosten, allerdings übernimmt die Stadt die Baukosten für die Ausweichstätte. Das Land steigt später ein.

«Das ist jetzt eine andere Geschäftsgrundlage und deshalb sollte man sich noch einmal zusammensetzen», sagt der Landeschef des Steuerzahlerbunds, Eike Möller. Landesregierung und Bürgerforum seien von anderen Vorstellungen ausgegangen. «Aber jetzt hat uns die Realität eingeholt.» Die FDP schließt sich an. «Es ist den Bürgerinnen und Bürgern schlicht nicht vermittelbar, in Zeiten angespannter Haushaltslage die Opernsanierung wie geplant anzugehen», sagt der kulturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stephen Brauer. «Vor diesem Preisschild muss der Steuerzahler zurückschrecken.»

Der Bau zieht sich nach Medienberichten hin, weil die von Stadt und Land ins Leben gerufene Projektgesellschaft tiefer in die Detailplanung eingestiegen ist und den Zeitplan angepasst hat. Bei einer längeren Bauzeit würden allerdings auch die Kosten des Vorhabens steigen, weil die Oper den lädierten sogenannten Littmann-Bau weiter bespielen müsste. Außerdem müssten Inflation und steigende Baupreise eingerechnet werden. Stadt und Land halten sich weiter mit Äußerungen zurück und verweisen auf die Sitzung am Montag.

Kaputtes Dach, kleine Proberäume und alte Technik

Die Sanierung des mehr als 100 Jahre alten Opernhauses im Stuttgarter Schlossgarten steht außer Frage. Das Haus ist schlicht heruntergewirtschaftet, es platzt zudem aus allen Nähten. Unter anderem soll eine moderne sogenannte Kreuzbühne schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel möglich machen. Zudem wird mehr Platz zum Beispiel für Proberäume benötigt, das Dach aus dem Jahr 1911 ist marode, die Bühnentechnik veraltet und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Verlängert sich nun die Bauzeit, müsste dort vier weitere Jahre für Hochkultur gesorgt werden.

 

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