Bei den Feierlichkeiten zum 150-jährigen Jubiläum des Allgemeinen Cäcilienverbands (ACV) im September 2018 wurde viel Süßholz geraspelt. Die Wertschätzung für die Kirchenmusik und den ACV, die nicht zuletzt aus vielen bischöflichen Worten sprach, war allenthalben zu spüren. Denn in seiner mehr als anderthalb Jahrhunderte umfassenden Geschichte hat sich der ACV als Verband für katholische Kirchenmusik einen Namen gemacht: als bundesweiter und respektierter Ansprechpartner sowohl in fachlichen wie in politischen Fragen, als Interessenvertretung, als Koordinator.

Kirchenruine in Schweden.
Was ist der Kirche die Kirchenmusik wert?
Damit könnte es ab 2027 vorbei sein, wenn man die Konsequenzen der Entscheidung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) bedenkt. Der im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) agierende Verband will dem ACV einen bislang jährlich gewährten Zuschuss von 50.000 Euro streichen, Geld, dass der überwiegend ehrenamtlich geführte ACV dazu verwendet hat, seinen einzigen (!) hauptamtlichen Angestellten zu finanzieren. Zwar bezeichnet die DBK höchstselbst die Kirchenmusik als „dritte große Säule des katholischen Laien-Engagements“ und noch im Begleitschreiben des VDD-Beschlusses spricht Bischof Stephan Ackermann, Vorsitzender der Liturgiekommission der DBK, von „der großen Tradition und dem segensreichen Wirken des ACV“. Angesichts der Entscheidung des VDD muss allerdings die Frage erlaubt sein, was all die bischöflichen warmen Worte überhaupt noch wert sind. Offenkundig nichts.
Warum nun ausgerechnet die 50.000 Euro für den ACV eingespart werden müssen und welche weiteren Etats gekürzt werden, bleibt im Dunkeln. Der VDD bezeichnet die Kürzungen als „unabwendbar“, gibt Näheres aber nicht preis. Er folgt damit jener machtbasierten Kommunikationsstrategie, die noch einer der Sargnägel der Kirche sein könnte: mauern und aussitzen. Nachfragen bei allen deutschen Bistümern (jeweils an Bischöfe, Kirchenmusikreferate und Pressestellen) blieben ergebnislos: sie werden ausschließlich von den Pressestellen beantwortet – mit dem Verweis an den VDD.
Die Empörung ist nachvollziehbar, denn sowohl die Summe an sich als auch die Art des Vorgehens seitens des VDD werfen Fragen auf. So entsprechen die eingesparten 50.000 Euro gerade mal 18 Cent pro Mitwirkendem in der katholischen Kirchenmusik oder 1.852 Euro pro Bistum. Dass VDD und DBK diese Summen angesichts eines Gesamtetats von 129 Millionen und eines Einsparvolumens von acht Millionen Euro nicht ganz oder teilweise woanders hätte einsparen können, ist schwer zu glauben.
Eine E-Klasse weniger als bischöflicher Dienstwagen täte es beispielsweise schon. Die mangelnde Transparenz und die Art der Kommunikation sind zudem ein PR-Desaster allererster Güte, das freilich dem hinreichend bekannten kirchlichen Muster folgt. Allerdings muss sich auch die verfasste deutsche Kirchenmusik die Frage gefallen lassen, ob sie in den letzten Jahren laut und offensiv genug für ihr Anliegen getrommelt und sich nicht von den Bischöfen hat einlullen lassen. Von der Entscheidung des VDD wurde sie jedenfalls „kalt erwischt“ wie Msgr. Markus Bosbach, Präsident des ACV, in einem öffentlichen Statement bemerkte.
Das Maß an institutioneller und substanzieller Geringschätzung, das der VDD gegenüber der Kirchenmusik an den Tag gelegt hat, lässt befürchten, dass die Motivationslage vieler Kirchenmusiker drastisch sinken wird. Schon die Nichtverlängerung des Pauschalvertrages mit der GEMA für kirchliche Veranstaltungen und Konzerte hat ihnen seit dem Auslaufen Ende 2023 viel Arbeit und der Kirche viel Unmut beschert. Ende 2026 läuft zudem der Pauschalvertrag mit der GEMA für Musik in Gottesdiensten aus. Kündigt sich hier das nächste Desaster an?
Wenn manchen Kirchenmusikern dessen eingedenk allerdings nicht mehr einfällt als nur „traurig“ oder „schade“, wie vielfach als Kommentar im Internet zu lesen war, dürfte es düster aussehen. Eigentlich müsste man jetzt in Anlehnung an Wolfgang Niedecken und die Proteste gegen Ausländerfeindlichkeit in den 1990ern sagen: „Arsch hu, Zäng ussenander“. Oder auf Hochdeutsch: Wenn die deutsche Kirchenmusik nicht den Allerwertesten hoch bekommt und laut wird, könnte es bald sehr still um sie werden.
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