Der Begriff «Existenzangst» ist in der neuen Inszenierung von «Giulio Cesare in Egitto» wörtlich zu nehmen. Die Protagonisten sind ständig in Lebensgefahr. Am Ende gab es riesigen Applaus.
Die Barockoper «Giulio Cesare in Egitto» hat bei den Salzburger Festspielen eine umjubelte Premiere gefeiert. Für das hochkarätige Ensemble und Regisseur Dmitri Tschernjakow gab es minutenlangen Applaus und zahlreiche Bravo-Rufe. Die Countertenöre Christophe Dumaux (Cesare), Federico Fiorio (Sesto) und Yuriy Mynenko (Tolomeo) begeisterten das Publikum ebenso wie die Sopranistin Olga Kulchynska (Cleopatra) und die Mezzosopranistin Lucile Richardot (Cornelia).
Auch Dirigentin Emmanuelle Haïm und das von ihr gegründete Instrumental- und Vokalensemble «Le Concert d'Astrée» ernteten tosenden Applaus.
Die Oper gehört mit ihren ausdrucksstarken Arien zu den erfolgreichsten, die Georg Friedrich Händel (1685-1759) komponiert hat. Sie wurde 1724 in London uraufgeführt.
«Schutzraum» wird zur Falle
Regisseur Tschernjakow hat das brutale Macht-Drama in einen Bunker, einen «Schutzraum», verlegt. Beton, Gitter und Neonleuchten dominieren die Szene. Die Sänger und Sängerinnen sind fast ständig auf der Bühne präsent, auch wenn sie lange Zeit nicht ins Geschehen eingreifen. Die feierlich-getragene Barockmusik entfaltet in dem kühlen Bühnenbild eine ganz besondere Wirkung.
Den Auftakt der Handlung bildet ein Polit-Mord. Cäsar wird die Leiche seines Widersachers Pompeius präsentiert. Dieser wurde in Ägypten getötet, um die Gunst Cäsars zu gewinnen. Doch der römische Staatsmann ist wider Erwarten geschockt - und der Keim für Intrigen, Anschläge und weiteres Morden damit gelegt. Rache und Angst, Verzweiflung und ständige Lebensgefahr beherrschen das Geschehen. Der «Schutzraum» wirkt angesichts der unseligen Verstrickungen wie eine Falle.
Die Überlebenden sind schwer gezeichnet
Die Inszenierung rücke die Reaktion von Menschen in Extremsituationen in den Mittelpunkt, so der Regisseur. «Jeder ist zu allem fähig, jeder kann rote Linien überschreiten.» Tschernjakow lehnt auch ein Happy End ab. Nach knapp vier Stunden sind zwar bei ihm wie vorgesehen alle Bösen tot. Aber die Überlebenden sind körperlich und seelisch schwer gezeichnet - und bleiben beim Schlussapplaus zunächst wie gelähmt sitzen.