Berlin - Hans Neuenfels ist einer der kreativsten Opern- und Theaterregisseure in Deutschland. Nach dem Streit mit Anna Netrebko lässt er es in Berlin ruhig angehen. Und freut sich über seinen Erfolg in Bayreuth.
Einen Aschenbecher. Oder einen Becher oder einen Pappteller - egal. Hans Neuenfels denkt im Foyer der Berliner Staatsoper ans Rauchen und sucht. «Meine Ärzte meinen, es wäre besser, es langsam sein zu lassen», sagt der Regisseur dann. Nebenan wird «Ariadne auf Naxos» geprobt. Nach dem Streit mit Anna Netrebko in München gleitet Neuenfels in Berlin auf einer friedlicheren Welle. Mit der Kammeroper von Richard Strauss muss er sich nicht über Diven ärgern. Hans Neuenfels (74) zieht erst einmal an der Zigarette.
Bei der Münchner «Manon Lescaut» hatte die russische Starsopranistin gekündigt - wegen unterschiedlicher künstlerischer Auffassungen, wie es im November hieß. In Berlin steht Neuenfenfels kein Streit mit Diven an. Für seine zweite Inszenierung an der Staatsoper hat er sich mit Intendant Jürgen Flimm auf «Ariadne» geeinigt, eine Mischung aus Komödie und Griechendrama für kleines Orchester.
Nach «Elektra« und «Rosenkavalier« ist «Ariadne» das dritte Gemeinschaftswerk von Librettist Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) und Strauss (1864-1949). Premiere ist an diesem Sonntag (14. Juni), Ingo Metzmacher dirigiert.
Hofmannsthal schrieb ein Stück im Stück, in dem die Darsteller wechselweise Schauspieler und griechische Mythenfiguren sind. Wie immer ist Neuenfels auch diesmal in den Stoff eingetaucht, hat viel gelesen und viel gehört. «Ich kenne das Stück genauso gut wie der Dirigent», sagt der Regisseur mit seiner rauchigen Stimme. «Die Musik, die Rhythmen, die Struktur. Ich habe das Bühnenbild vor Augen und die Umrandung der Figuren durch die Kostüme.»
Es geht wie so oft bei Neuenfels um die Liebe und ihren Qualen, den Schmerz der Trennung und Obsessionen. «Liebe es ist das unnatürlichste in der Natur», sagt Neuenfels und spricht vom «prinzipiellen Problem zwischen den Geschlechtern». Die «abendländische Forderung» an Eheleute, bis zum Tod zusammenzubleiben, sei fast übermenschlich. Er wisse das aus eigener Erfahrung.
Neuenfels hat immer wieder offen über seine stürmische Beziehung zu seiner Ehefrau, der Schauspielerin Elisabeth Trissenaar, gesprochen. Er sei einmal auch ausgezogen, habe es aber nicht lange ausgehalten. In mehr als 70 Neuenfels-Produktionen war Trissenaar inzwischen dabei - auch diesmal. Sie hat die Sprechrolle des Haushofmeisters.
Gemeinsam ist die Arbeit nur auf der Bühne, zu Hause redet das Paar nie darüber. «Frau Trissenaar - ich sieze sie in den Proben - weiß nicht mehr als die anderen Darsteller.» Zur Arbeit gehen die beiden von der Wohnung in Berlin-Charlottenburg grundsätzlich getrennt. «Meine Frau geht voraus.»
Trissenaar gehörte zu der Gruppe von Schauspielern, die Neuenfels früh um sich scharte, darunter auch Gottfried John und Ulrich Wildgruber. Schon mit 28 Jahren hat der Theater-Besessene aus einem katholischen Elternhaus in Krefeld 30 Stücke inszeniert.
«Deutschlands zuverlässigster Skandalregisseur», wie der «Spiegel» Neuenfels nannte, ist alles andere als auf Skandal aus. Zwar hat Neuenfels immer wieder für Aufregung gesorgt - etwa mit Mozarts «Idomeneo», bei der er die Religionsstifter Jesus, Buddha und Mohammed köpfen ließ. Die Aufführungen an der Deutschen Oper Berlin liefen nach angeblichen Drohungen nur noch unter Polizeischutz.
Oder bei seinem Bayreuther «Lohengrin». Vor fünf Jahren gab es viele Buhrufe, inzwischen ist die Inszenierung mit den «Ratten im Versuchslabor» als Wagner-Chor, die jetzt zum letzten Mal läuft, ein Hit. «Die Kanzlerin hat sie schon dreimal gesehen», sagt er mit Genugtuung.
Oper habe nur eine Chance als «gesellschaftliches Vehikel». Zwar wollten Komponisten mit ihrer Musik auch verführen, «uns mit ihren Melodien beschwingen und beglücken», sagt Neuenfels. «Ich habe auch nichts gegen Diven oder tolle Tenöre. Doch wenn eine Opernaufführung nur ein Liederabend sein soll, dann finde ich Musik zu kostbar dazu.»