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Mehr als Betriebsamkeit - «Der fliegende Holländer» in Bayreuth. Foto: BF, Enrico Nawrath
Mehr als Betriebsamkeit - «Der fliegende Holländer» in Bayreuth. Foto: BF, Enrico Nawrath
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Mehr als Betriebsamkeit - «Der fliegende Holländer» in Bayreuth

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Bayreuth - Zwischen Finanzkrise und Flüchtlingsstrom gewinnt die Inszenierung von Jan Philipp Gloger in diesem Jahr noch mehr Aktualität. Das Holzboot des Unternehmers Daland wirkt wie aus der Zeit gefallen in den Schluchten der leuchtenden Datenströme. Genau wie Daland selbst, angesichts des Holländers in seinem glänzend geschnittenen Anzug. Beide Männer suchen einen guten Deal - doch sie stellen sich darunter ganz andere Dinge vor.

Die Inszenierung des «Fliegenden Holländers» von Regisseur Jan Philipp Gloger bei den Bayreuther Festspielen ist nicht neu. Aber zwischen Finanz- und Flüchtlingskrise stellt sie Fragen, die aktueller nicht sein könnten. Denn die Richard-Wagner-Oper ist eine Erzählung über den Erlösungswunsch, von Gloger in die Form von Daten-, Geld- und Produktmassen gegossen. Dafür erhielt er diesmal satten Applaus. 2012 hatte das Publikum noch Anlaufschwierigkeiten, doch es scheint Glogers Interpretation jedes Jahr mehr zu würdigen.

Dalands Tochter Senta sucht nach etwas, für das es sich lohnt, ihre ganz Kraft einzusetzen; diese Kraft übrigens verkörpert Ricarda Merbeth erneut mit ihrer Stimme eindrucksvoll. Die betriebsame Beschaffungsmentalität in der Ventilatorenfabrik ihres Vaters jedenfalls reicht ihr nicht. Und auch der Holländer will entkommen. Ein Reicher, der sich verzockt hat; seinen Coffee-to-go-Becher wegwirft und seinen Wohlstand satt hat. Ein Hedgefondsmanager vielleicht, zu ruhelosem Leben verdammt, ohne sterben zu können.

Seiner Verzweiflung - und seinem Willen - gibt Bariton Thomas J. Mayer große Präsenz, der in dieser Titelrolle in Bayreuth debütiert, nachdem er dreimal den Friedrich von Telramund im «Lohengrin» gegeben hatte. Dafür schenkt ihm das Publikum tosenden Applaus - wie auch Andreas Schager als Sentas Verehrer Erik und natürlich Merbeth.

Punktgenau getragen ist die Inszenierung von der Arbeit des Dirigenten Axel Kober. Er hatte sich im vergangenen Jahr zu messen am Erfolg von Christian Thielemann, doch der Beifall für den Dirigenten drang durch - wie auch diesmal.

Der Holländer also braucht eine treue Frau - und Unternehmer Daland kann sie ihm bieten: seine Tochter, gegen das ganze Geld. «Würde es dich verdrießen, wenn dieser Fremde bei uns wohnt?», fragt der Vater Senta. Er ist dem Vater fremder, als dieser ahnt; denn der Reichtum ist ihm egal. Und Senta sucht ohnehin nach mehr. Sie ist die Erlöserin, die der Holländer braucht. Sie beide wollen etwas, das mehr verspricht als Coffee to go und schnell verpackte Ventilatoren.

Bei Gloger ist «Der fliegende Holländer» seit 2012 eine Geschichte nach der Finanzkrise, ein Fechten zwischen der Nachkriegs-Wachstum und Turbokapitalismus. Da sind zwei Schiffsreisende heute gar kein so schlechtes Bild für die Kluft zwischen dem Wohlstand der Frachtunternehmer und Kreuzfahrer einerseits und den Tausenden von Menschen andererseits, die auf der Flucht übers Mittelmeer ihr Leben verlieren. Sie sind unsichtbar auf der Bayreuther Bühne. Wenn aber Daland im Jahr 2016 mit einem mickrigen Holzboot strandet, ruft das auch den Gedanken an jene seeuntauglichen Schiffe auf, die nur noch für das Geschäft der Schlepper taugen.

Der Holländer übrigens hat Schiffsleute im Schlepptau, die mit ihm viele Jahre warten müssen, die schon wie tot wirken und den Feiernden am Ufer lange nur zusehen können. Am Ende verlassen sie ihr verfluchtes Schiff und sind - wie das Paar - erlöst.

 

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