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Schulen musizieren – das BMU Festival

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Schulische Ensemblearbeit im Blick
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Ein Festival ist eine Veranstaltung, die sich durch den Ort und die Gestaltung aus dem gewohnten und alltäglichen Rahmen heraushebt. „Schulen musizieren“ ist solch ein Festival: Hier wird ein wichtiger Bestand kultureller Bildung direkt in die Öffentlichkeit hineingetragen. Im üblichen Format ist schulisches Musizieren oft nur einer eingeweihten Peergroup, eben Eltern, Großeltern mit den musizierenden Kindern, zugänglich. Und bei der Ausgestaltung von Schulfesten und -feiern bleibt die Musik vielfach lediglich schmückender Dekor: Als ästhetische Wandtapete darf sie der Verabschiedung der Abiturientia beiwohnen, auf der dann ein Preis für die besten Prüfungsleistungen der eben zweckdienlicheren MINT-Dynas­tien vergeben wird.

„Schulen musizieren“ möchte hier ein kulturpolitisches Signal setzen, das sich gegen eine gesellschaftliche Marginalisierung der Musik und des Musikunterrichts richtet: „Schulen musizieren“ verstärkt die öffentliche Präsenz, holt Musik aus ihrem Reservat hinter den Schulmauern hervor und rückt das Musizieren in den Mittelpunkt. Dass Musik hier nicht in der Schulaula, sondern open air auf dem Bahnhofsvorplatz oder auf dem Markplatz erklingt, ist ein äußerliches Zeichen dafür, sie ins Zentrum zu stellen. „Schulen musizieren“ ist gleichermaßen ein Signal dafür, dass die schulische Ensemblearbeit und der Musikunterricht zusammengehören. Musikunterricht in unseren Schulen braucht Kontinuität – schulische Ensemblearbeit braucht Spiel- und Freiräume. Musik ist ein Bürgerrecht, das allen Kindern und Jugendlichen in gleicher Weise zusteht. Und darum hat Musik in der allgemeinbildenden Schule ihren gebotenen Platz, darum gilt die allgemeinbildende Schule als Musikschule für alle.

Häufig verkommen Festivals zur Eintagsfliege. Auf Konzerten kreuzen sich kurz die Wege, und wirkliche Begegnungen finden nicht statt. „Schulen musizieren“ stellt sich dem in mehrfacher Hinsicht entgegen. Zwar führt die mehrtägige Bundesbegegnung mit ihrem Leuchtturmcharakter ausgewählte Ensembles aus allen Bundesländern und den verschiedenen Schulformen zu einem für alle Mitwirkenden einmaligen Erlebnis zusammen, doch gehen diesem Event immer Landesbegegnungen auf regionaler und auf Landesebene voraus, die eine feste Konstante im lokalen Bewusstsein bilden und sich hier im engeren Feld der Bildungslandschaften etabliert haben. Im Rahmen der Bundesbegegnung werden die musikalischen Akteure nicht nur in Gastfamilien untergebracht, in mehreren Begegnungskonzerten zusammengeführt und umrahmen Veranstaltungen in der Region: In gemeinsamen Workshops musizieren die Teilnehmer der einzelnen Ensembles gemeinsam, etwa, indem sie sich mit experimentellen Musizierformen auseinandersetzen und sich hier gemeinsam neue musikalische Welten erschließen. Auch ein Kompositionswettbewerb ist für die teilnehmenden Ensembles fester Bestandteil des Festivals. All dies hinterlässt Spuren, die nicht einfach verwehen, sondern in den Alltag hineingetragen werden.

Begegnung schafft Verbindung

Musik wird im Musizieren erlebt. Hier wird ein gedruckter Notentext lebendig, nur durch ein positives Erleben kann sie zu einem inneren Besitz werden, der uns bereichert und lebenslang begleitet. Im Musikunterricht der allgemeinbildenden Schule kann dieses Erleben nicht verordnet werden. Trotz musikpädagogischer Bemühungen ist die Schule weder ein Konzertsaal noch eine Rave-Party, wo Musik in ihrer authentischen Praxis erlebt werden kann. Schule bleibt immer eine Institution mit einem staatlichen Bildungsauftrag, der im Vermitteln von Wissen und Können, aber auch zur Erziehung von mündigen Persönlichkeiten besteht, die sich selbstverantwortlich in die Gesellschaft einbringen können. Entzieht sich Musikunterricht diesem Bildungsauftrag und sucht er seinen Platz in Wohlfühloasen, in denen sich die besonders empfindsamen Seelen singend vom harten Triumvirat ihrer Kernfächer erholen dürfen, stellt er sich selbst in Frage. Und wenn sich die schulische Ensemblearbeit im fakultativen Additivum als die andere Seite der Medaille versteht, verkommt sie im Kontext aktueller Verteilungskämpfe und Schulstrukturdebatten leicht zur Kulisse, die auf Gleitbahnen in den Nachmittagsbereich verschoben werden wird, wo Schüler und Lehrer ihrem gemeinsamen Hobby nachgehen dürfen.

In qualitätsvollem und nachhaltigem Musikunterricht geschieht das Vermitteln von Wissen und Können längst nicht mehr in einer früher und von außen oft noch unterstellten Distanz zum Musizieren. Nicht nur in Streicher-, Chor- und Bläserklassen bildet das Musizieren längst den Mittelpunkt für alle Lehr- und Lernprozesse. Die Begegnungskonzerte von „Schulen musizieren“ spiegeln die unterschiedlichsten Stilrichtungen, Praxen und verschiedensten Ensemblekonstellationen wider: Vom klassisch besetzen Orchester bis zum Klassenensemble, vom Grundschulchor bis hin zum poppigen Vokal­ensemble, von der traditionellen Rockband bis hin zum Ensemble für Experimentelle Musik musizieren alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam und auf Augenhöhe. „Schulen musizieren“ versteht sich daher nicht als aussondernder Wettbewerb, sondern als ein Angebot zur Begegnung und damit als Reaktion auf gesellschaftliche Exklusionstendenzen, denen wir uns gerade in dieser Zeit ausgesetzt fühlen müssen. „Schulen musizieren“ verbindet: die unterschiedlichsten musikalischen Praxen und Kulturen, in und mit denen wir uns in den Schulen bewegen.

Musik – ein schulischer Generalbass?

In Zeiten, in denen die Relevanz des Musikunterrichts auf vermutete Transfereffekte reduziert wird, die Soft-Skills der Musen eher belächelt werden und die einzige Kontinuität unseres Faches in beharrlichen und nie endenden Diskussionen über Stundenkürzungen und Unterrichtsausfall besteht, lassen die beschwörenden Worte des erfolgreichen Unternehmers Jack Ma aufhorchen: „Schulen lehren Wissen, das Gründen eines Unternehmens hingegen erfordert Weisheit.“ Der ausgebildete Lehrer, Multimilliardär und Gründer des chinesischen Imperiums „Alibaba“ sieht in einem Zeitalter, in dem Maschinen immer schneller denken, die Notwendigkeit einer Umkehr. Im Januar 2018 forderte er auf dem World Economic Forum (WEF) in Davos, dass sich unsere Art des Lehrens und Lernens grundlegend ändern müsse. Statt bloßes Wissen zu vermitteln, müsse es darum gehen, Werte, Teamwork und Überzeugungskraft zu entwickeln. Kinder sollten etwas lernen, das kreativ und einzigartig ist und sich vom Wesen und Wissen der Maschinen unterscheidet. Dazu zählt er in erster Linie die Künste.

Dieser Klartext, der das Fach Musik zum schulischen Generalbass machen möchte, gründet sich nicht zuletzt auf seiner eigenen Biographie: Jack Ma stammt aus einer Musikerfamilie, in der Begegnungen, die die Seele berühren und sie zum Klingen bringen, zum selbstverständlichen Alltag gehören. Das BMU-Festival „Schulen musizieren“ möchte auf seine Weise dazu beitragen, dass möglichst vielen Kindern und Jugendlichen solch nachhaltige Erfahrungen ermöglicht werden und dass möglichst viele Zuhörer davon profitieren.


Die Bundesbegegnung „Schulen musizieren“ wurde von Bernhard Binkowski, dem damaligen Bundesvorsitzenden des VDS, ins Leben gerufen und findet seit 1981 im zweijährigen Turnus statt. Als Förderprojekt des BMU gehen ihr Landesbegegnungen und Konzerte auf regionaler Ebene voraus. Die Bundesbegegnung „Schulen musizieren“ führt ausgewählte Ensembles aus allen Bundesländern und allen Schularten für mehrere Tage zusammen und gibt ihnen die Möglichkeit, ihr musikalisches Können darzustellen und andere Gruppen kennenzulernen. Hinzu kommen auch ein bis zwei Ensembles aus einem europäischen Gastland. Dieses Erleben von Gemeinsamkeit zwischen unterschiedlichen musikalischen Praxen der verschiedenen Kulturen ist für den BMU ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für sein Festival „Schulen musizieren“.
www.bmu-musik.de/projekte/schulen-musizieren.html

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