Hauptbild
Sven Ferchow. Selfie

Sven Ferchow. Selfie

Hauptrubrik
Banner Full-Size

This is the end, beautiful friend

Untertitel
Ferchows Fenstersturz 2025/09
Vorspann / Teaser

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“. Gemäß Karl Valentin möchte ich nachträglich und mit angemessener Karenzzeit in den Chor derjenigen einstimmen, die den Auftritt der Rockband Linkin Park beim Champions-League-Finale 2025 in München genauso jämmerlich empfanden wie ich. Wobei die Frage nicht „Warum Linkin Park?“ lautet, sondern: Wer kommt überhaupt auf die Idee? Sicher ein CEO-Söhnchen des Hauptsponsors (das ganze Leben ist ein Rausch), der halbkoma­tös den Spring Break 2002 erinnert.

Autor
Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Also latscht Papi zu einer der PR-Mumien bei der UEFA, die altersbedingt noch einen „MySpace“-Account benutzen könnte. Und: Linkin Park haben den Job. Für Nichtkenner: Bereits vor zwei Jahrzehnten waren Linkin Park eher dafür bekannt, dass man sich beim Hören trotz rheumatischer Erstsymptome wie ein pubertierender Teenager fühlen durfte, während der Rollator der letzte Konzertbegleiter war und die Prolo-Stempel (Jugendsünden-Tattoos) verblassten wie Linkin Park ab 2002. Als ob irgendjemand zwischen München und Katar, von wo der Fußballbetrieb ja nun seine moralischen Impulse bezieht, überhaupt wussten, dass die Band noch existiert. Doch in einer Welt, in der Nostalgie der einzige Kassenschlager ist, halten selbst ausgemergelte Nu-Metal-Hymnen die Illusion am Leben, das Jahr 2002 nie verlassen zu haben.

Wobei. Linkin Park und Fußball, da gibt es schon einen crush. Seit mit Emily Armstrong eine neue Sängerin am Start ist, rumort es im Linkin Park Lager. Verrat am Vermächtnis des verstorbenen Sängers Chester Bennington wird der Band vorgeworfen. Kennen wir Bundesligakinder auch! Damals, als Lothar Matthäus von Gladbach nach München wechselte und bei seiner Rückkehr auf den Bökelberg im Bayerntrikot mit Judas-Sprechchören empfangen wurde. Apropos. An Verrat denkt man mitunter beim „Live“-Kurzauftritt der US-Rocker. Ein Playback-Gewitter mit umgehängten Gitarren. Ein Hit-Medley, dessen Übergänge kreischten wie die Stichsäge, die den Daumen statt der Holzlatte erwischt.

Hauptsache die Benchmark „Ich bin wütend, aber bitte nur in steril abgemischter Studioqualität“ kann vermarktet werden. Wow! Nicht auszuschließen, dass vor den Tribünen Animateure hampelten, die das vom Bierpreis sedierte Publikum Richtung explodierender Euphorie pushen wollten. Sinnlos. Denn die Menge bekommt eh nichts mit, filmt sie doch ohnehin nur sich selbst, weil Content wichtiger ist als Emotion. Da kommen Linkin Park als Soundtrack der live „gereelten“ Insta-Clips gerade recht. Und so fügt sich dann alles irgendwie doch. Linkin Park feiern sich selbst. Das Publikum feiert sich selbst. Die UEFA feiert sich selbst. Weil die Einschaltquoten stimmen. Und während Tickets auf dem Schwarzmarkt 3.000 Euro kosten, hält sich die UEFA für progressiv, weil sie glaubt, mit Linkin Park den Nerv einer reanimierten Jugendkultur zu treffen. Wie passend, dass es in einem der größten Linkin Park Hits heißt: „But in the end it doesn’t even matter.“

Autor
Print-Rubriken
Unterrubrik
Musikgenre