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Moritz Eggert. Foto: Juan Martin Koch

Moritz Eggert.

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Früher war nicht alles besser

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Absolute Beginners 2025/09
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Im Hochschulalltag gibt es immer alle möglichen Probleme. Da gibt es Instrumentalkollegen, die nicht auf Mails von Studierenden antworten, aber auf Mails von Kollegen (manchmal auch nicht auf die). Instrumente fehlen für ein Klassenkonzert und in der Hochschule kann niemand gefunden werden, noch nicht einmal in der Kantine (da diese nach mehreren Überschwemmungen, Rattenplagen und Besitzerwechseln immer weniger frequentiert ist).

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Ausstehende Rechnungen werden nicht bezahlt, Prüfungstermine kommen durcheinander – der übliche Alltag an allen Hochschulen kann zermürbend sein und einem manchmal die Illusion geben, dass alles den Bach runtergeht.

Eigentlich ist aber das Gegenteil der Fall, denn ich kann mich sehr gut an die Umstände meines eigenen Studiums erinnern. Ich war damals sehr zufrieden mit meinem Kompositionsunterricht bei Wilhelm Killmayer, aber drumherum war tatsächlich relativ wenig los. Wenn es hochkam, gab es ein Klassenkonzert im Jahr, das wir komplett selbst organisierten, und das bestand meis­tens aus sehr klein besetzter Kammermusik mit vielen Solostücken. In München gab es damals fast keine Aufführungsmöglichkeiten für junge Komponierende, und an der Hochschule gab es kein aktives Ensemble für Neue Musik, auch fast keine Studierenden oder Lehrenden, die sich dafür interessierten oder engagierten. Es gab keine E-Mail-Verteiler und keine regelmäßigen Informationen über Ausschreibungen, Stipendien oder Wettbewerbe, diese wurden zum Teil von eifersüchtigen Kollegen abgefangen und nur an die eigene Klasse weitergeleitet. Es war dermaßen „tote Hose“ an der Hochschule, dass wir aus lauter Verzweiflung begannen, unsere eigenen Konzertreihen, Festivals und Ensembles zu gründen, damit überhaupt etwas passierte. Immerhin war dies ein positiver Effekt dieser Zeit – er zwang uns zur Eigeninitiative, was rückblickend sehr gut war.

Wie ist es heute? In unserer Kompositionsabteilung teilen wir regelmäßig Angebote und Möglichkeiten für unsere Studierenden mittels mehrerer E-Mail-Verteiler, auch die Hochschule informiert uns regelmäßig über Chancen. In einem typischen Semester gibt es ein bis zwei Kompositionsklassenprojekte jeder Klasse, im Schnitt alle zwei Wochen ein Konzert, hinzu kommen zahllose Kooperationen mit zum Beispiel der Theaterakademie (Bühnenmusik, Opern, Musiktheaterprojekte) oder Playlist (Libretto/Musiktheaterwerkstatt). Fast jede Woche erreichen mich Anfragen, bei denen Nachwuchs gesucht wird – externe Konzerte und Projekte nicht nur in München, bei denen wir unsere Studierenden gerne empfehlen, damit sie möglichst viel Erfahrung sammeln können. Tatsächlich komme ich mir inzwischen manchmal vor wie der Konzertagent meiner Klasse, muss schauen, wem ich was vermittele, damit alles gerecht zugeht und niemand überlastet ist.

Und ich muss schauen, dass die Studierenden Selbstorganisation in der Überlastung lernen – sehr oft gehe ich mit ihnen ihre persönlichen Kalender durch und bespreche, was sie zusagen und vielleicht eher nicht zusagen sollten, weil es einfach nicht mehr seriös zu schaffen ist. Langeweile war früher – heute ist das Aktivitätsangebot reichhaltig und kann ausführlich genutzt werden.

Früher war alles besser? Pustekuchen.

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