Jedes Jahr wird von der GEMA in Berlin der Musikautor*innen-Preis verliehen. Jedes Mal ein Ehrenpreis, einmal für jemanden aus dem E-Bereich oder U-Bereich, immer abwechselnd. Denn die GEMA ist für beide Bereich da. Sollte man meinen. Aber man spürt: Die Vertreter des U-Bereichs, längst in der Mehrheit, allein schon deswegen, weil immer ein Team und nicht ein Einzelschöpfer bedacht wird, möchten diese Gleichbehandlung nicht. Warum jedes zweite Jahr ein Ehrenpreis für eine Minderheit, in der GEMA wie im Konzertleben? Seit 25 Jahren wird gemunkelt, schwebte das Damoklesschwert über der Förderung des nun einmal bedürftigeren E-Bereichs: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mehrheit die Minderheit entmachtet.

Geht es nach den GEMA-Reformvorschlägen, soll der Markt es richten. Die Mehrheit der E-Minderheit aber fürchtet eine Hinrichtung. Foto: Martin Hufner
Hundertjähriger Frieden
Wenn der Vorstand von „nicht zeitgemäß“, von breiter Basis oder Solidarität spricht, glaube ich kein Wort. Ich fühle mich davon nicht vertreten. Ich wurde auch nicht in den Meinungsbildungsprozess einbezogen. Es ist eine feindliche Übernahme durch den neoliberalen Geist. Geld zählt, nicht die Musik. Dabei kann es nur Verlierer geben, und zwar weit über die E-Komponisten hinaus. Das ganze deutsche Musiksystem wird demontiert, das betrifft Verlage, Musikschulen, Musiker, Komponisten und Veranstalter. Ich verstehe nicht, warum der Vorstand derart Musik und die weltweit bewunderte deutsche Musikkultur hasst. Die neue Regelung zerstört die Musik selbst.
Daher möchte ich diese Prinzipien erinnern.
- Demokratie ist nicht nur die Herrschaft der Mehrheit, sondern auch der Schutz der Minderheit. Der sogenannte E-Musik-Bereich ist in der Minderheit und sollte auf Augenhöhe behandelt werden.
- Europäische Kunst seit der Renaissance wurde immer extra gefördert, querfinanziert, wenn man so will: subventioniert. Kunst rechnet sich zunächst nicht, auf lange Sicht aber schon. Das gilt auch für die Musik.
- Die einzige Orientierung an kommerziellem Erfolg ist der Tod der Kunst und auch der Musik. Man kann in Italien und den USA den Niedergang der Musik sehen, nachdem die öffentliche Hand zurückgezogen wurde. Und auch bei uns wird das Niveau Stück für Stück abgebaut. Ich denke nicht an nur das Klassikradio, sondern auch an BR Klassik, wo nur noch Häppchen serviert werden – zum Genießen und Entspannen.
- Die allermeiste Musik ist Unterhaltungsmusik, auch vieles von dem, was unter Klassik läuft (André Rieu et cetera, eben auch diese sogenannten Klassiksender). Der Name „Ernste Musik“ war immer etwas verunglückt. Ernst ist Musik, weil bei ihr, anders als im Theater oder Kino, nicht gelacht wird. Man müsste „E-Musik“ Musik mit Kunstanspruch nennen. Kunstanspruch heißt: sehr viel Arbeit (man denke an ein Orchesterstück mit 100.000 Noten et cetera), Originalität der Musiksprache, subjektive Notwendigkeit, Abwesenheit von kommerziellen Interessen.
- Definieren wir Kunst mit Kant: Es erweckt ein interesseloses Wohlgefallen. Sie ist nicht für uns da, wir sind für sie da. Sie ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir müssen an ihr wachsen, uns bilden, auch belehren lassen. Wir müssen staunen. Wir müssen akzeptieren, dass wir vielleicht das Stück zehnmal hören müssen, um es zu verstehen und zu lieben. Kunst ist nichts für das eine Mal.
Ich bezweifle, dass der Vorstand diese Prinzipien beherzigt. Die GEMA, übrigens gegründet von einem E-Komponisten, ist ein Rechtsinstitut sui generis, das staatliche Rechtsvorgaben, das Urheberrecht, umsetzt. Es muss sich an übergeordnete Richtlinien des Kulturstaats Deutschland halten. Sollte diese sogenannte Reform Wirklichkeit werden, würde es mich nicht wundern, wenn dagegen geklagt würde. Besser ist es, den über hundertjährigen Frieden zwischen E und U beizubehalten.
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