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Zur Verleihung der Deutschen Jazzpreise 2024 in Köln  Foto: Niclas Weber

Zur Verleihung der Deutschen Jazzpreise 2024 in Köln  Foto: Niclas Weber

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Neustart gelungen

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Zur Verleihung der Deutschen Jazzpreise 2024 in Köln
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Die Ehrung herausragender Kulturschaffender ist eine wichtige Sache, besonders im Jazz. Gibt es doch mehr exzellente Musiker und außergewöhnliche Musik als je zuvor, deren Vermittlung an die Öffentlichkeit aber wird immer schwieriger. Der seit 2021 vergebene Deutsche Jazzpreis ist also eine sinnvolle Einrichtung, ganz besonders, weil anders als beim Vorgänger Echo Jazz auch ein anständiges Preisgeld vom Bund verteilt wird.

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Es gibt allerdings zwei Grundbedingungen, die so ein jährlich ausgerichteter Preis erfüllen muss. Bekommen müssen ihn die, die in den zwölf Monaten zwischen den Vergaben wirklich die „heißen“ Vertreter der jeweiligen Kategorie waren. Und die Veranstaltung selbst muss so professionell gemacht sein, dass sie eine breitere Öffentlichkeit erreichen und begeistern kann. Beides ist im vergangenen Jahr grandios gescheitert. 

Immerhin hat man dies bei den Trägern, von der Initiative Musik bis zur Deutschen Jazzunion, erkannt, und so wurde heuer vorab einiges geändert. Endlich reduzierte man die aufgeblähte Kategorienzahl von 31 auf 22, richtigerweise vor allem bei den internationalen Kategorien. Keine Entwertung nationaler Preisträger mehr, und eine gestraffte Show, da kann man verschmerzen, dass etwa bei der neu zusammengefassten Kategorie „Saiteninstrumente“ kurioserweise nur BassistInnen nominiert waren. 

Den Jurys war Fachliches offensichtlich wieder wichtiger als Diversitätsproporz. Dementsprechend bildete die Liste der Nominierten viel besser die in diesem Jahr relevanten Jazz-Musiker, -Schaffenden und -Landschaften ab – zumindest der deutschen. Denn die verbliebenen internationalen Kategorien waren fest in amerikanischer Hand. Nichts gegen die Gewinner Irreversible Entanglements, Meshell Ndegeocello, Lesley Mok, Immanuel Wilkins und Kenny Barron, aber keine einzige Nominierung aus der explodierenden britischen Szene, aus dem immer noch innovationstreibenden Skandinavien oder den anderen den Jazz erobernden Weltregionen, das ist dann doch eine unangemessene Bevorzugung des mitunter stagnierenden Jazz-Mutterlandes. Auffällig in diesem Zusammenhang auch, dass kein einziger Künstler der führenden Independent Labels ACT und ECM dabei war. 

Freilich kann es absolute Objektivität und Gerechtigkeit nicht geben. Und gerade der Jazz ist „not competition, but sharing“, wie Juror Claus Reichstaller als einer der Laudatoren betonte. Immerhin konnte man heuer keinen Geehrten finden, für den sich keine guten Gründe für seine Auszeichnung finden ließen. Und dass die nun jeweils vier Nominierten erstmals schon für die Nominierung ein Preisgeld von 4.000 Euro bekamen, ist in jedem Fall ein Fortschritt in Richtung Gerechtigkeit. 

Von den verbesserten Rahmenbedingungen profitierte die ebenfalls stark umgestaltete, von Götz Bühler und erneut Hadnet Tesfai charmant moderierte Preisverleihung im Kölner E-Werk. Statt branchenferne Sprecher besorgten die JurymitgliederInnen Claus Reichstaller, Maria Portugal, Marieke Meischke, Nate Chinen, Rio Sakairi und Bert Noglik glaubwürdig und eloquent die Laudationes. Noch wichtiger war, jedem Gewinner und jeder Gewinnerin die Möglichkeit zu geben, sich zu bedanken. So konnte man sich mitfreuen über die Verblüffung von Céline Rudolph (Vokal), Angelika Niescier (Holzblasinstumente), Taiko Saito (Schlagzeug/Perkussion) oder Mirna Bogdanovic (Album des Jahres), über die intellektuelle Souveränität von Janning Trumann (Blechblasinstrumente), die typische Quirligkeit von Ulrich Habersetzer (Journalistische Leistung), die berührende Ehrlichkeit von Jakob Bänsch (Debüt-Album des Jahres), Monika Roscher (Komposition des Jahres) und Shuteen Erdenebaatar (Ensemble des Jahres) oder die ausgewogene politische Stellungnahme von Bendik Giske (Künstler des Jahres) - auch wenn dabei wieder einmal auffiel, wie viel sich deutsche Jazzmusiker bei der Präsentation noch bei amerikanischen Kollegen oder denen von Rock und Pop abschauen können. 

Ein glückliches Händchen hatte man endlich bei der Auswahl der Musikbeiträge. Mit dem Omer Klein Trio, dem Duo Angelika Niescier/Alexander Hawkins und Kenny Barron hatte man ausschließlich GewinnerInnen am Start, die die Vielfalt des Jazz abbildeten und alle auf ihre Art mitreißend waren. Und dank der neuen Kooperation mit der Cologne Jazzweek darf man dort auch noch einige der hier abwesenden amerikanischen Preisträger erleben. 

Dass der Lebenswerk-Preisträger Alexander von Schlippenbach abschließend den Wunsch nach mehr medialer Aufmerksamkeit aussprach, war ein passender Schluss. Sollte doch der Deutsche Jazzpreis nach diesem gelungenen Neustart ebenfalls den Kampf aufnehmen gegen die Marginalisierung des Jazz in den Rundfunkanstalten und den Printmedien. Und die Forderung formulieren, zur Kirsche auf dem Kuchen zu werden, zur Krönung einer nachhaltigen strukturellen Förderung der deutschen Jazzlandschaft statt zu ihrem Alibi. 

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