Wie gelingt es Menschen, aktiv in und mit einer Gesellschaft zu wirken und zugleich sie selbst zu bleiben? Diese Lebensfrage durchzieht den Roman „Rummelplatz“ von Werner Bräunig. Der 1934 in Chemnitz geborene Autor war gelernter Schlosser, arbeitete nach dem Krieg als Gelegenheitsarbeiter in West-Deutschland und zeitweise im Uran-Bergbau der jungen DDR. Dort wurde er als schreibender Autor gefördert, durfte Literatur studieren und den Aufruf zur „Bitterfelder Konferenz“ mit dem berühmten Slogan „Greif zur Feder, Kumpel“ verfassen. Auf dem SED-Plenum 1965 wurde der Vorabdruck eines Kapitels seines Romans jedoch so heftig angegriffen, dass er das Manuskript unfertig liegen ließ. Bräunig starb 1976. Sein Buch erschien erst 2007. Nun bildet der Roman die Grundlage der gleichnamigen Oper „Rummelplatz“ mit Musik von Ludger Vollmer auf ein Libretto von Jenny Erpenbeck. Die Uraufführung am 20. September findet im Rahmen des Europäischen Kulturhauptstadtjahres 2025 im Opernhaus Chemnitz statt. Begleitet wird sie von einer Konferenz und einer deutsch-polnischen Schreibwerkstatt.

Uraufführungen. Foto: Hufner
Rummelplatz und Geometrie
Hintergrund der Handlung ist der Uran-Bergbau in Sachsen, der Menschen, Orte und Landschaft tiefgreifend verändert und dessen vergiftete Altlasten bis heute wirken. Nach Krieg und Faschismus sind es ab 1945 die sowjetischen Besatzer, die unter der Tarnbezeichnung „Wismut-AG“ – benannt nach dem harmlosen Metall – unweit von Chemnitz, damals Karl-Marx-Stadt, im Erzgebirge unter gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen die Uran-Förderung hochschrauben, um den Sozialismus aufzubauen, sowjetische Atomkraftwerke zu füttern und den Bau von Atombomben zu ermöglichen. Bei der Urangewinnung steht das Erzgebirge zeitweilig an vierter Stelle in der Welt. Der Knochenarbeit unter Tage entfliehen die Malocher auf dem Rummelplatz. Ganz oben auf der Überschlagschaukel steht die Welt für einen kurzen Moment Kopf und fragt man nach dem eigenen Platz im Leben. Was tun? Wie verhalten im neuen Staat? Weggehen? Weiter machen im Hamsterrad?
Beim Musikfest Berlin erfährt am 21. September in der Berliner Philharmonie der 1929/30 von Marc Blitzstein komponierte Einakter „Parabola and Circula“ seine späte konzertante Uraufführung in Kooperation mit dem Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung. Dort untersucht das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Bauhaus Music“ seit 2021 das bislang wenig aufgearbeitete musikalische Geschehen an dieser Hochschule für Kunst und Handwerk. Der US-amerikanische Komponist (1905–1964) gilt neben Kurt Weill als ein bedeutender Vertreter des politischen Musiktheaters. Er stand der Berliner „Novembergruppe“ nahe, bewegte sich in Avantgardekreisen und war mit einer Berlinerin verheiratet. Die damals mit dem Bauhaus Dessau geplante Uraufführung seiner „kubistischen Oper“ auf ein Libretto von George Whitsett kam nie zustande. Ähnlich Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ sind alle Protagonisten geometrische Figuren in einem abstrakten Reich der Formen. Die Liebesgeschichte von Parabel und Kreis endet tragisch, weil es in der Natur der beiden Figuren liegt, auseinanderzulaufen.
Weitere Uraufführungen:
- 1.9.: Iris ter Schiphorst, Enno Poppe und Annelies Van Parys, neue Solowerke für Klavier, Klarinette und Trompete, ARD-Musikwettbewerb München; María de Alvear, neue Werke für Kammerensemble hand werk bei „rituale“, Christuskirche Köln
- 3.9.: Beat Furrer, Klavierkonzert Nr. 2 für Francesco Piemontesi und Orchestre de la Suisse Romande, Genf
- 7.9.: Adi Snir und Jongsung Oh, neue Werke für IEMA-Ensemble, Herrenhaus Edenkoben
- 12.9.: Ondřej Adámek, Between Five Columns, Musikfest Berlin
- 13.9.–12.10.: Monat der zeitgenössischen Musik Berlin
- 14.9.: Thorsten Töpp, neues Werk für Ensemble Crush, Kulturkirche Liebfrauen Duisburg
- 19.9.: Albrecht Zummach, WOBBLY ECHOES – Nine Rounds of Remembrance für Ensemble mit Ukulele, Kunst-Station Sankt Peter Köln
- 27.09.: Jamilia Jazylbekova, Gerald Eckert, neue Werke, Forum neue Musik DLF Köln
- 28.9.: Neue Werke ukrainischer Komponist:innen, musica viva, Allerheiligenhofkirche München
- Share by mail
Share on