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Die Smjertnica (Shoushik Barsoumian), Der Schwarzmüller (Peter Fabig). Foto: Pawel Sosnowski

Die Smjertnica (Shoushik Barsoumian), Der Schwarzmüller (Peter Fabig). Foto: Pawel Sosnowski

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Tiefschwarze Lausitz-Romantik: Die Uraufführung von Marius Felix Langes starker Oper „Krabat“

Vorspann / Teaser

Der vom Gerhart-Hauptmann-Theater und dem Lausitz Festival an Marius Felix Lange nicht weit vom Handlungsschauplatz Schwarzkollm zwischen Hoyerswerda und Kamenz vergebene Kompositionsauftrag hat seine Berechtigung. Gewiss auch als Regionalreplik auf mindestens fünf seit Cesar Bresgen vorausgegangene Musiktheater-Schöpfungen – vor allem aber, weil Langes aus mehreren Quellen entwickeltes Libretto und die Musik dazu einfach sehr gut sind. Aus den Prosatexten des Sorben Juri Brězan und Ottfried Preußlers sowie umfangreichen Recherchen Langes wurde der magische Abenteuerstoff zum Entwicklungsroman-Mysterium mit symbolisch-psychologischem Tiefgang.

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Wie im sächsischen Romantik-Juwel „Der Freischütz“ geht es in „Krabat“ um die Ausbreitung der Macht des Bösen in Kriegszeiten und dessen Überwindung. Die Einsatz gleich dreier Dramaturgen (Martin Stefke, Alexander Meier-Dörzenbach, André Meyer) für Langes eigenes pointiertes Libretto sowie szenische Kompaktheit hat sich vollauf gelohnt. Neben den Stars des Görlitzer Ensembles agierten neun Studenten der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in den Partien der sich in Raben und zurück verwandelnden Müllerburschen und Zauberlehrlinge, von denen jedes Jahr einer zur Lebensverlängerung des Schwarzmüllers sterben muss. Unter anderem Yvonne Reich (Krabats rettende Mutter) und die Regisseurin Rebekka Stanzel waren bereits in der Görlitzer Produktion von Langes Überflieger-Märchenoper „Schneewittchen“ dabei.

Was Lange eine ‚Familienoper‘ nennt, hat den Anspruch von Humperdinck, Wagner, Richard Strauss. Die Vertonung hat Spannung und lässt Raum für von Lange mit einer überbordenden Instrumentation entwickelten Atmosphäre. Vor allem aber nimmt sie den Stoff ernst, braucht weder ironische noch verniedlichende Akzente. Wenn Lange sorbische Melodien und Sakralmusik aufgreift oder kunstvoll imitiert, geschieht auch das im orchestralen Turboflow. Dieser instrumentalen Sturmflut setzen Felicia Bergström und Daniele Consorti bei den Verwandlungen der Menschen in Tiere bis zum Duell des Schwarzmüllers mit Krabat konturiert wirkungsvolle Videoanimationen entgegen.

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Der Schwarzmüller (Peter Fabig), Krabat (Buyan Li). Foto: Pawel Sosnowski

Der Schwarzmüller (Peter Fabig), Krabat (Buyan Li). Foto: Pawel Sosnowski

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Leider hat Shoushik Barsoumian nur in der prologartigen ersten Szene einen ganz großen Auftritt, der – unter verdrehten geschlechtlichen Zuordnungen – ein bisschen an Klingsors und Kundrys verschrobebes Hörigkeitsverhältnis in „Parsifal“ anknüpft. Es ist erstaunlich, wie GMD Roman Brogli-Sacher in der Überakustik des Görlitzer Theaters mit der Neuen Lausitzer Philharmonie alle Reize und Üppigkeiten von Langes Partitur ausspielen lässt. Die Solostimmen kommen immer prächtig, obwohl ohne Verstärkung über den zwar licht klingenden, aber mit dichter Harmonik gepfefferten Instrumentalsatz. Eine vitale Leistung auch vom Hauschor (Einstudierung: Albert Seidl).

Nur bei den Lausitzerinnen in sorbischer Nationaltracht wird Rebekka Stanzels Regie minimal ironisch, belässt aber sonst die 130 Minuten Musik in angemessenem Ernst und Düsternis. Auf der fast immer schwarzen Bühne setzt Vinzenz Hegemann das Mühlrad gleichzeitig als Zeittunnel, hinter dem sich Folkloristisches und Sakrales auftut. Buyan Li verhält sich in der Titelpartie sehr nobel. Er dürfte für den Parsifal vergleichbaren Selbstfindungsprozess Krabats nach der Pause ohne weiteres mehr Druck machen und weniger zurückhaltend sein. Der Wandel vom säkularen Gegenwartsmenschen zum Faust-ähnlichen Magie-Adepten gelingt ihm nahtlos - ohne Riss an der inneren Plausibilität von Zeitsprung und Initiation zum Lieblingszauberlehrling des Schwarzmüllers. Eine vor fragwürdigen Erziehungsmethoden flüchtende Ausreißerin ist auch unter den zwölf Lehrlingen, von denen einer zu Ostern dran glauben muss. Lisa Orthuber setzt als Měrćin eine starke Figur ohne Anspruch auf Quoten-Sonderbehandlung. Yalun Zhang als dem Schwarzmüller blind ergebener Jona und Max Roomsky als Filip stechen aus der in Langes Partitur und von der Regie sehr subtil behandelten Gruppe der recht lebendigen Gruppe der Müllerlehrlinge heraus. Peter Fabig ist glücklicherweise sehr jung für die merkbar an die großen dämonischen Zerrissenen der Romantik angelehnte Partie des Schwarzmüllers. Er liefert eine große Leistung mit genau gesetzten Facetten der Angst und der Autorität, wird vom Publikum wie alle mit reichem und langem Applaus bedankt.

Vor allem fällt in dieser Aufführung das Fehlen fahler erotischer, emotionaler und extremer Spannungen auf. Die Schwelle zwischen Terror, also der ständigen Angst vor Unheil, und Horror, der direkten Konfrontation mit dem Bösen, war zu wenig diffus, obwohl Lange das Angstbarometer in seiner Partitur mit Ebbe und Flut intelligent wie subtil in die Höhe trieb. Das Finale des Lausitz Festivals 2025 „unsbewusst“ wurde ein spannendes Stück mit allen Effekten und Softskills für einen breiten Erfolg.

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