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Mit Konzerten gegen Fremdenfeindlichkeit - Opernhäuser wehren sich. Foto: Lieberwirth
Semperopernintendant Peter Theiler: «Die Oper gerät nicht in Vergessenheit». Foto: Lieberwirth
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Semperopernintendant Peter Theiler: «Die Oper gerät nicht in Vergessenheit»

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Dresden - Shutdown statt Showtime: Der Musikbetrieb ruht wegen Corona schon seit Monaten - und ein Ende der Zwangspause ist nicht abzusehen. Gerade für so ein komplexes Gebilde wie ein Opernhaus sind die Folgen fatal.

Peter Theiler, Intendant der Semperoper Dresden, besitzt nach eigenem Bekunden «ewigen Optimismus». Allerdings wird der schon seit geraumer Zeit arg auf die Geduldsprobe gestellt. Seit November ruht der Spielbetrieb in einem Haus, das sonst voller Musik und Publikum ist. Anders als in der ersten Pandemiewelle wurde zuletzt noch weiter für geplante Premieren geprobt. Seit Donnerstag ist auch dafür der Vorhang gefallen. Aus Vorsicht vor Mutationen des Virus lässt man nun auch die Proben und den Fertigungsbetrieb in den Werkstätten bis 14. Februar gänzlich ruhen.

Theiler räumt ein, dass man sich auf den Zustand der Unsicherheit inzwischen eingestellt hat. Immer wieder mussten Produktionen verschoben oder unter Corona-Bedingungen reduziert werden. Auch die nächsten Premieren stehen in den Sternen. Ende März sollte Claudio Monteverdis «L'Orfeo» mit Rolando Villazón herauskommen, im Mai «Capriccio» von Richard Strauss. Nach Lage der Dinge kann man beide Inszenierungen wohl nur konzertant aufführen. Theiler gibt die Hoffnung nicht auf, will aber realistisch bleiben: «Die Bedingungen werden in zwei Monaten nicht viel anders sein. Das gilt auch für Ballett und Konzert, wo wir möglichst viel halten wollen.»

Es ist nicht die erste Katastrophe für die Semperoper im Laufe ihrer langen Geschichte. Zuletzt gab es im August 2002 ein Drama, als das Hochwasser der Flüsse Weißeritz und Elbe das Opernhaus unter Wasser setzte und einen Millionenschaden mit monatelanger Unterbrechung des Spielbetriebes verursachte. Der Kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Rothe betrachtet beide Situationen dennoch unterschiedlich. Damals habe man richtig anpacken können: «Das Hochwasser kam und ging, zurück blieben Schlamm und Zerstörung.» Dieses Mal sei die Katastrophe nicht richtig greifbar und zeitlich nicht absehbar, wann wieder Normalität eintritt.

Theiler verweist auf einen anderen Aspekt: «Das Hochwasser war schrecklich, aber lokal begrenzt. Jetzt ist die Katastrophe global. Egal mit welchen Kollegen er in diesen Tagen telefoniere, alle hätten die gleichen Probleme. Auch die internationale Zusammenarbeit sei ins Stocken geraten. Kooperationen mit Bühnen in Paris, San Francisco und Tokio lägen auf Eis. Künstler könnten nicht mehr gastieren, die im Ausland begehrte Sächsische Staatskapelle Dresden müsse auf Tourneen verzichten, für deren Vorbereitung man bereits viel Geld ausgegeben habe: «Die Planungsperspektiven verschieben sich überall.»

Da der aufwendige Opernbetrieb mit Regisseuren, Gästen, Repertoire und Premieren Jahre im Voraus geplant und in Verträgen fixiert wird, hat die Pandemie nun vieles durcheinander gebracht. Theiler weiß, dass die Häuser in aller Welt nun schon um die Sängerinnen und Sänger für Aufführungen in den kommenden Jahren wetteifern müssen. In Dresden plant man nach dem Prinzip Hoffnung jetzt erstmal für April und Mai. Der Intendant vergleicht das mit einem Würfelspiel. Da würden einige Produktionen wohl noch herausfallen und andere aufgenommen. Vieles werde man nur konzertant machen können.

Theiler hält nichts davon, Opernaufführungen per Streaming online zu stellen: «Ich bin überzeugter Anhänger von Live-Theater und nicht von Flimmertheater am Bildschirm.» Wenn aufgrund der Hygieneregeln Akteure auf der Bühne nur meterweit entfernt miteinander agieren könnten, sei das nur eine «Krücke». «Das ist doch nicht die Zukunft des Theaters. Entweder wir machen richtiges Theater oder gar keines», sagt Theiler. Er wisse, dass er sich bei anderen mit dieser Haltung unbeliebt mache. Aber auch bei Produktionen ohne Publikum bleibe für Mitwirkende auf der Bühne die Gefahr einer Ansteckung.

Die zweite Welle der Pandemie hat das Personal der Staatstheater - zu dem neben der Semperoper auch das Staatsschauspiel gehört - härter getroffen. Von insgesamt rund 1000 Mitarbeitern haben sich etwa 40 infiziert. Der Chor musste zwei Mal komplett in Quarantäne, auch das Ballett war davon betroffen. «Man hat das Gefühl, die Pandemie kommt immer näher. Anfangs war das ziemlich abstrakt. Jetzt kennt man immer mehr Fälle, die auch einen schweren Verlauf nehmen», sagt Theiler. Man habe Verantwortung nicht nur für die künstlerische Entwicklung, sondern auch für die Gesundheit der Mitarbeiter.

2020 hatte die Semperoper 17,8 Millionen Euro Einnahmen geplant, am Ende waren es 4,2 Millionen. Aus 268 geplanten Vorstellungen wurden lediglich 70. Nur bis 11. März 2020 gab es einen regulären Betrieb. Nach mehrwöchiger Schließzeit ging es im Sommer mit eingeschränkter Besucherzahl weiter. Anfang November wurde der Spielbetrieb ganz eingestellt. «Wir hatten immer gedacht, das ist zeitlich begrenzt und geht schnell vorbei. Doch jetzt ist ein Jahr bald herum und wir arbeiten immer noch mit eingeschränkter Perspektive», sagt Theiler.

Trotz allem will der Intendant ein «ewiger Optimist» bleiben und ist sich sicher: «Die Oper gerät nicht in Vergessenheit.» Sobald man wieder unter normalen Bedingungen arbeiten kann, würden die Besucher wieder kommen - die Einheimischen genauso wie die Touristen.

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