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Titelseite der nmz 2023/09

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Zum Kulturkahlschlag bei der ARD

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Politik attestiert mangelnden Veränderungswillen und Beratungsresistenz
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Gerade wurde die Halbierung der Förderung des renommierten ARD-Musikwettbewerbs ab 2025 durch die ARD angekündigt. Das ist nur die letzte Zumutung in einer ganzen Kette von halbgaren Vorschlägen der Intendantinnen und Intendanten des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks, besonders der ARD, um sich auf Kosten der Kulturberichterstattung und der Kunstproduktion zu sanieren.

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Im am ersten Juli in Kraft getretenen 3. Medienänderungsstaatsvertrag wird der Auftrag des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Blick auf die Angebote präzisiert. Dort steht: „Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht, ist Teil des Auftrags.“

Kultur steht absichtlich an erster Stelle. Bislang fand sich Kultur nicht so prononciert in der Hauptaufgabenbeschreibung. Der politische Wille des Gesetzgebers ist es, die Bedeutung der Kultur in der Zukunft im Öffentlich-rechtlichen System zu steigern. Man sollte meinen, die Verantwortlichen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks beginnen angesichts dieses Auftrags, den Kultursektor zu umgarnen, neue kulturelle Angebote zu starten, Bekanntes auszubauen. Doch weit gefehlt, jetzt überbieten sich die Intendantinnen und Intendanten mit immer neuen Vorschlägen, wie sie das Kulturangebot in ihren Sendern beschneiden können.

WDR-Intendant Tom Buhrow nahm in seiner berühmt-berüchtigten Rede beim Hamburger Überseeclub im November letzten Jahres am Kulturbereich Maß. Er philosophierte darüber, ob tatsächlich so viele Klangkörper erforderlich seien oder ob nicht ein Exzellenzorchester für alle ARD-Anstalten reichen würde. Gleichfalls brachte er die Fusion von Hörfunkwellen ins Spiel. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Kultur sei im Auftrag an den Rand gedrängt und gerade nicht, wie geschehen, an die erste Stelle gerückt worden. SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke, setzte nach und pries die Fusion von Klangkörpern beim SWR als Erfolgsgeschichte.

Die Bildung von Zentralredaktionen beispielsweise für Hörspiele wurde ebenso ins Spiel gebracht wie die Schaffung von sogenannten Kompetenzzentren beispielsweise für Jazz. Besonders problematisch ist die Idee, abends die verschiedenen Kulturwellen zusammenzuschalten und ein gemeinsames Programm bundesweit auszustrahlen. Das Pfund der ARD-Anstalten, ihre regionale Vielfalt und ihre Unterschiedlichkeit, wird damit leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
 

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Ohne Zweifel, der Öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Nicht erst seit heute. Nicht zum ersten Mal. Aber so ernst war es vermutlich noch nie. Das Programm trifft oft nicht das Interesse gerade der jüngeren Zuhörer und Zuseher, die Digitalisierung wurde, auch wegen zu strenger medienpolitischer Vorgaben, nur unzureichend umgesetzt. Angesichts der Mediennutzung jüngerer Generationen ist es unausweichlich, dass der Öffentlich-rechtliche Rundfunk in der digitalen Welt präsent ist und die digitalen Ausspielwege beziehungsweise  Mediatheken offensiv nutzt. Wer ihn ausschließlich auf einen linearen Ausspielweg festlegen will, sollte so ehrlich sein, offen zu bekennen, dass er dem öffentlich-rechtlichen System das Grab schaufeln will. Rundfunkbeiträge werden auf Dauer nicht zu rechtfertigen sein, wenn nur noch ein Teil der Bevölkerung, nämlich die Älteren, die mit der Macht der Gewohnheit noch linear hören und sehen, das Angebot nutzen. Ein Angebot für „alle“, wie es der neue Medienänderungsstaatsvertrag verlangt, kann so nicht unterbreitet werden.

Der Rundfunkbeitrag, also die Höhe der zukünftigen Haushaltsabgabe, wird über das Überleben des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheiden. Das Geld wird, trotz Gebührenerhöhungen vor zwei Jahren auf 18,36 Euro pro Haushalt und Monat, immer knapper und knapper. Die horrenden Pensionslasten der Anstalten fressen die Mittel auf, die Inflation tut ihr übriges. Ob es zu einer Erhöhung des Rundfunkbetrages ab 2025 kommen wird, steht in den Sternen, sicher ist aber, sie wird, selbst wenn sie kommen sollte, nicht sehr hoch ausfallen. Die ARD, das Fernsehen und alle ihre Hörfunkwellen, das ZDF und auch der Deutschlandfunk werden massiv sparen müssen.

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    Dies wird ohne eine grundlegende Reform des Programmangebotes nicht gehen und natürlich wird auch der Kulturbereich sich einer kritischen Überprüfung stellen müssen. Aber das, was wir zurzeit erleben, hat nichts mit einer kritischen Gesamtüberprüfung des Programmangebotes zu tun, sondern nur die Kulturangebote werden zur Disposition gestellt. Kein Wort zum Beispiel über die horrend teuren Sportrechte und die exorbitanten Ausgaben für Filmlizenzen aus Hollywood. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, wir werden von den Intendanten mit viel Tamtam zur Schlachtbank geführt, damit vor dem Todesstoß die Politik in Superheldmanier den Sendern doch die gewünschten finanziellen Mittel zur Verfügung stellt und damit auch die Kulturberichterstattung und die Kulturproduktion gesichert würde.

    Aber, das wird nicht passieren. Die für Medienpolitik Verantwortlichen attestieren dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand mangelnden Veränderungswillen und Beratungsresistenz. Die Politik wird sich von den Sendern nicht erpressen lassen.

    Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk hat, das ist mein bitteres Fazit, in den letzten Jahren fast alle seine Freunde vergrault. Der Kulturbereich gehört noch zu den letzten guten Freunden, die bei aller deutlicher Kritik im Einzelfall immer für das System als solches eintreten. Aber diese Freundschaft wird durch das Verhalten von Intendantinnen und Intendanten gerade auf eine harte Probe gestellt.

    • Der Autor ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
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