Ehrungen, Preise und Orden sind heikel. Nicht selten werden die Falschen ausgezeichnet und wollen die preisenden Institutionen vor allem sich selbst im Glanz der gepriesenen Berühmtheiten sonnen. Manche Auszeichnungen erreichen immerhin die Richtigen, doch weil viele andere den Preis ebenso verdient haben, erscheint die Wahl willkürlich. Selten stimmt neid- und vorbehaltslos alles. Ein solcher Glücksfall ist die Internationale Ensemble Modern Akademie. Diese weithin einzigartige Einrichtung wurde soeben von der Fachgruppe E-Musik des Deutschen Komponist:innenverbandes mit der FEM-Nadel 2025 ausgezeichnet (siehe Bericht Seite 22).
Donaueschingen 2025: „Tell Tales“ von Georges Aperghis mit Bratschistin Tabea Zimmermann und Vokalsextett EXAUDI (mehr auf Seite 7). Foto: SWR/Ralf Brunner
Überangebot und Fachkräftemangel
Das Ensemble Modern veranstaltete bereits seit 1995 mit der Gesellschaft für Neue Musik einige Jahre lang das „Nachwuchsforum für Komponisten, Interpreten und Musikologen“. Die Mitglieder des Ensembles wollten ihre langjährigen Erfahrungen an junge Musikerinnen und Musiker vermitteln. Doch dafür erwies sich die dreitägige Veranstaltung einmal im Jahr als zu klein und sporadisch. Jüngere Generationen sollten aufführungspraktisch intensiv geschult sowie umfassend die Geschichten, Ästhetiken und Kontexte der Ansätze, Werke und Personen kennenlernen. Gemeinsam mit Gästen aus Komposition, Musikwissenschaft und Musikleben wollte man auch den Drang zu lebenslangem Lernen und Sich-Öffnen für Neues, Abenteuerliches, Ungewohntes weitergeben. Genau dafür gründete man 2003 die Internationale Ensemble Modern Akademie.
Seitdem veranstaltet die IEMA Meisterkurse, Workshops, Vermittlungs- und Edukationsprojekte, Kompositionsseminare, Coachings für Nachwuchsensembles sowie das Projekt „epoche_f“ mit Preisträger:innen internationaler Jugendwettbewerbe. Beteiligt waren bisher 66 Komponierende, 314 Masterstudierende und rund 600 Instrumentalistinnen. Seit 2006 gibt es in Kooperation mit der HfMDK Frankfurt den einjährigen Masterstudiengang Contemporary Music Performance für rund ein Dutzend Instrumentalisten sowie je eine Person aus für Dirigat, Komposition und Klangregie. Zusammen mit Mitgliedern des Ensemble Modern erarbeiten die aus der halben Welt stammenden Akademisten Solo-, Kammermusik- und Ensemblewerke der zeitgenössischen Musik. Als IEMA-Ensemble spielen sie rund dreißig Konzerte im In- und Ausland, bringen neue Stücke zur Uraufführung, werden projektweise ins Ensemble Modern Orchestra eingebunden und lernen viele Akteure, Szenen, Festivals und Veranstalter kennen. So wie einige Studierende der Jungen Deutschen Philharmonie 1980 das Ensemble Modern gründeten, finden sich seit über zwanzig Jahren nun bei der IEMA junge Musikerinnen und Musiker, die über das Akademiejahr hinaus gemeinsam weiterarbeiten wollen und daher eigene Ensembles gründen. Aus verschiedenen IEMA-Jahrgängen hervorgegangen sind 2009 Ensemble Interface, 2010 MAM.manufaktur für aktuelle musik, 2011 Trio Catch, 2015 Trio Radial, 2018 Broken Frames Syndicate und 2022 das Fabrik Quartet. Zu guten Teilen aus Alumni bestehen auch die Ensembles Adapter, Garage, hand werk und LUX:NM. Diese hoch professionellen Formationen bereichern mit je eigenem Profil das deutsche und internationale Musikleben. Mit Vimbayi Kaziboni und Xizi Wang standen bei den diesjährigen Donaueschinger Musiktagen auch zwei Alumi am Dirigierpult. Wenige Initiativen wirken so vielseitig und nachhaltig wie die IEMA.
Für Komponierende und Interpretierende neuer Musik gibt es zahlreiche Studiengänge an Musikhochschulen sowie Meisterkurse und Workshopangebote. Im Musikjournalismus existieren dagegen kaum Ausbildungs- und Fördermöglichkeiten. Und statt Überangebot herrscht hier Fachkräftemangel. Das gesellschaftliche Interesse an Kunst und Kultur nimmt ab und immer weniger Menschen verfolgen diskursive Auseinandersetzungen über Machart, Ausrichtung, Wert und Deutung von Kunst und Musik. Weil sich gegenwärtig auch die meisten Musikschaffenden aufs Musikmachen konzentrieren statt öffentlich darüber nachzudenken, ist die Szene der neuen Musik weniger diskussionsfreudig als noch in den 2010er Jahren. Und die Berufsaussichten im Musikjournalismus sind düster angesichts wegfallender Redaktionen von Fachzeitschriften, Tageszeitungen und ARD-Kulturradios sowie entsprechend schwindenden Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten.
Punktuell gibt es immer wieder Schreibwerkstätten bei verschiedenen Ferienkursen und Musikfestivals. Praktika und Workshops bietet auch die Plattform „field notes“ der initiative neue musik berlin sowie das „Forum junger Autor:innen“ von musiktexte.online. Mit dem Reinhard-Schulz-Preis wird seit 2012 alle zwei Jahre ein junges Talent der Publizistik im Feld der neuen Musik ausgezeichnet. Und 2021 wurde erstmalig die „nmzAkademie für Musikjournalismus“ ausgeschrieben. Angesprochen sind junge Autor:innen aus Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Journalismusstudiengängen, die sich für Kulturpolitik, Musikwirtschaft, Gegenwartsmusik, Pop, Jazz, Improvisation, Medien, Kulturfinanzierung und Ästhetik interessieren. Die Teilnehmenden erhalten während des neunmonatigen Stipendiums einen persönlichen Mentor aus den Fachredaktionen des ConBrio-Verlags, allen voran der „neuen musikzeitung“. Bei regelmäßigen Video-Konferenzen sowie Workshops in Regensburg und bei der kooperierenden Jeunesses Musicales in Weikersheim werden Recherchemöglichkeiten, Themen, Textsorten, Stilfragen und Adressaten besprochen sowie Darstellungsformen in Print, Podcast, Blog, Video, Online und Social Media praktisch erprobt. Inzwischen arbeiten ehemalige Akademisten freiberuflich oder in Festanstellung für Rundfunkanstalten, Musikzeitschriften und Onlineportale. Nun kann man sich wieder für die nmzAkademie 2026 bewerben, und zwar hier: www.nmz.de/akademie
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