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Uraufführungen. Foto: Hufner
Verstimmte Geigen und üppige Roben: Oper «Orlando» als Experiment. Foto: Hufner
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Verstimmte Geigen und üppige Roben: Oper «Orlando» als Experiment

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Wien - Die Grenzen sind fließend, Normen sind von gestern. Der Transgender-Roman «Orlando» von Virginia Woolf wird in Wien als Oper uraufgeführt. Ein Wagnis für alle Beteiligten.

Es ist ein einziges Verzerren und Verschwimmen. Der disharmonische Klangstrom kennt kaum eingängige musikalische Themen, wird untermalt von Chören, begleitet von E-Gitarren, und selbst die Hausorgel hat ihren wuchtigen Auftritt. Die zweiten Geigen mussten auf Weisung der Komponistin ihre Instrumente um einen Viertelton niedriger stimmen. Die üppigen Kostüme der für ihre androgynen Entwürfe bekannten Japanerin Rei Kawakubo vom Label Comme des Garçons sind ein Augenschmaus. «Es ist viel los», sagt die 51-jährige österreichische Avantgarde-Komponistin Olga Neuwirth über ihre Oper «Orlando». Sie selbst bezeichnet ihre Musik wegen des pessimistischen Grundtons gern als «Katastrophenmusik».

Die Uraufführung von «Orlando» an der Wiener Staatsoper am 8. Dezember wird mit Spannung erwartet. Es ist - abgesehen von einigen Kinderopern - das erste von einer Frau komponierte Werk, das im Haus am Ring gespielt wird. Die Staatsoper, eher traditionell ausgerichtet, und das die Tradition liebende Wiener Publikum stehen vor einer Herausforderung.

Das Thema des Romans «Orlando» der britischen Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941) könnte in einer Zeit, die das dritte Geschlecht offiziell anerkennt, aktueller kaum sein: Die Geschlechter-Identität ist fließend, ein Mann wird im Schlaf zur Frau, nichts ist eindeutig, Gewissheiten sind von gestern. Die höchst feinsinnige Woolf, die in ihren Werken begnadet selbst kleinste Details kunstvoll schilderte, war selber sexuell eine Wanderin zwischen den Welten. Das Hinterfragen aller Normen sei ihr zentrales Anliegen, meint Neuwirth, die zusammen mit der franko-amerikanischen Dramatikerin Catherine Filloux das Libretto geschrieben hat.

Orlando breche fortwährend oktroyierte Regeln, meint Neuwirth. «Die fiktive Figur sucht nach einer anderen Art von Schönheit, indem sie die Standards der Gesellschaft nicht akzeptiert und schreibend kreativ die Welt durchschreitet.» In 19 Szenen versucht das Werk, diese Geschichte abzubilden.

Bei den Proben herrschte nicht unbedingt eitel Sonnenschein. Einige Musiker des Staatsopernorchesters unter dem aus Marl stammenden Dirigenten Matthias Pintscher waren nach Informationen der Zeitung «Die Presse» nicht wirklich begeistert, gelinde gesagt. Musiker hätten die Proben in aggressiver Stimmung verlassen, schrieb die Zeitung. Andere Mitglieder des Orchesters hätten der «auskomponierten Reibung» jedoch auch Positives abgewinnen können. Die Komponistin, die auch auf Geräuschemacher setzt, hat ihr Werk so reich instrumentiert, dass der Orchestergraben bis zum letzten Platz gefüllt ist - eine Trompete erschallt schon mal aus dem dritten Rang.

Die Bühne selbst bietet Platz. «Ich wollte kein Bühnenbild. Meine Musik braucht Raum, damit sie sich entfalten kann», sagt die Komponistin. So werden die optischen Effekte allein von den beweglichen riesigen LED-Paneelen erzeugt - fallweise zaubern sie eine Bibliothek, eine Winterlandschaft oder kalbende Gletscher auf die Bühne.

Es ist nicht erste Zusammenarbeit der Staatsoper mit Neuwirth. Doch bislang blieb es beim Versuch. Zusammen mit dem damaligen Intendanten der Pariser Oper hatte die Staatsoper - zuvor hatten die Salzburger Festspiele ihren Auftrag storniert - bei ihr zum Mozart-Jahr 2006 eine «Don Giovanni»-Paraphrase bestellt. Als Neuwirth und die spätere Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek das Libretto ihrer Oper «Der Fall Hans W.» ablieferten, lehnten es die damaligen Direktoren wegen des ihrer Meinung nach schlechten Librettos ab. Darin war es um einen Kinderarzt und Missbrauch-Täter gegangen, der wegen sexueller Nötigung vieler minderjähriger Patienten verurteilt worden war.

Für den bald an die Mailänder Scala wechselnden Staatsopern-Direktor Dominique Meyer ist die Uraufführung ein Beweis, dass sich das Haus etwas traut. Im vergangenen Jahr war die etwas matt-gesellschaftskritische Oper «Die Weiden» von Johannes Maria Staud und Durs Grünbaum auf ein geteiltes Echo gestoßen. Und Neuwirth selbst, die bei ihrem «Orlando» gern von einer Opera-Performance statt von einer klassischen Oper spricht, ist sich höchst bewusst, dass auch ihrem Werk eine zwiespältige Reaktion blühen kann. «Das Stück verlangt, dass alle über ihren Schatten springen. Alle müssen raus aus der Komfortzone.» Wohl auch das Publikum.

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