Hauptbild
Sven Ferchow. Selfie

Sven Ferchow. Selfie

Hauptrubrik
Banner Full-Size

Die letzte Hüttengaudi

Untertitel
Ferchows Fenstersturz 2025/05
Vorspann / Teaser

Natürlich. Körperspenden sind schon rein wissenschaftlich ein ernstes Thema. Die Frage stellt sich, ob man das Thema in einem Atemzug mit Volksmusik hören möchte. Michael Hartl, einer der langlebigsten Wadlbeißer der Volksmusik und (noch) eine Hälfte der Jodl-Gaudi „Marianne und Michael“, hat jüngst ungefragt verkündet, was eher wenige hören wollten: Er möchte seine sterblichen Überreste der Wissenschaft spenden. Ganz ehrlich, schwierige Materie, wenn ein Volksmusiker, der Jahrzehnte zwischen Enzian, Leberkäse und Jagertee schunkelte, quasi post mortem helfen möchte. Immerhin wahrscheinlich erstmal ohne Akkordeon.

Autor
Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Verzeihen Sie meine Skepsis. Es ist ja unerforscht, was nach approximativen 80 Jahren Volksmusik mit einem Körper und jenen, die daran forschen, passiert. Dementsprechend verhalten sind erste Reaktionen einer Universität in Bayern, die dankend ablehnte. Zu hoch sei das Risiko für die hochfrequenten Laborutensilien. Man befürchte, die sensiblen Mikroskope könnten bei Sichtung von Hartls konserviertem Janker plötzlich auf Volksmusik umschalten und die Pietät des Obduktionssaals mit „Einer geht noch, einer geht noch rein“ stören. Etwas voreilig, finde ich. Denn ein paar Rätsel der Volksmusik wären schon lösbar. Hochinteressant insbesondere die Frage, wie es möglich ist, fast 60 Jahre permanent zu lächeln, obwohl man regelmäßig mit Andy Borg, Stefan Mross, Stefanie Hertel oder Florian Silbereisen zusammenarbeiten musste. Und was bitte war das Geheimnis der hartlschen Frisur, die sich selbst in Erdbebenregionen kein My bewegte? Und wie reagieren Professoren auf studentische Fragen wie „Herr Professor, warum hat der Mann Goldglitter in der Milz?“ Außerdem ließe sich im Auftrag zahlreicher Oktoberfestbesucher feststellen, weshalb ein Mann mit so viel Trachtenstoffkontakt offenbar keinerlei Allergien dagegen entwickelte. Da böte sich doch eine breit (gemeint ist nicht breit im Sinne von volltrunken) angelegte Studie mit dem Titel „Der Trachten-Effekt auf das limbische System“ an.

Nun, was immer final mit Michael Hartls Überresten passiert, eines wusste schon Trude Herr: „Niemals geht man so ganz“. Wenn sich Michael Hartl also eines Tages von der Bühne des Lebens verabschiedet, würde ich Ihnen als Volksmusikfan raten, gut hinzuhören. Sollten Sie auf einer Körperwelten-Ausstellung ein leises „In München steht ein Hofbräuhaus“ vernehmen oder wispert Ihnen bei einer der ausgiebigen Toilettenpausen beim Ü60-Gaudistadl ein „Wo der Wildbach rauscht“ entgegen, ich wäre mir nicht sicher, ob da nicht Michael Hartl aus dem Jenseits zu Ihnen spricht. Vielleicht auch rückwärts, wie man das einst Black Sabbath unterstellte.

Und an alle Pathologie-Studierenden: Sollten Sie während künftiger Obduktionen ein sanftes „Aus Böhmen kommt die Musik, sie ist der Schlüssel zum Glück“ hören, halten Sie durch. Denn wie sagte bereits der römische Dichter Marcus Annaeus Lucanus: „Selbst der Tod flieht oft vor einem Mann“.

Autor
Print-Rubriken
Unterrubrik