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Reihe 9 im Badischen Staatstheater Karlsruhe. Foto: mku

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Reihe 9 (#99) – händel with care

Vorspann / Teaser

Oper ist immer etwas Schönes. Mehr noch bei Georg Friedrich Händel. Das weiß man an einem guten Abend, was man hat – und was man bekommt. Aufgebaut als Opera seria, ist vieles vorhersehbar, zumal wenn das System von Rezitativ und Arie kaum durchbrochen wird. Dann kochen auf der Bühne und im Orchestergraben die Emotionen hoch – oder erstarren in tiefer Trauer. Doch so einfach ist es nicht: Dass die Partituren nicht nur musikalisch viel Gestaltung und Fantasie verlangen, war in den vergangenen Wochen in Kiel und Karlsruhe auf ganz unterschiedliche Weise zu erleben.

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Schaut man heute in die Spielpläne der großen und mittleren Häuser, so findet man nicht selten eine der 42 Opern von Georg Friedrich Händel auf dem Programm. Die Gründe dafür mögen sehr unterschiedlich sein – aber die Werke „ziehen“ eigentlich immer beim umworbenen Publikum. Außerhalb der seit vielen Jahren und Jahrzehnten bespielten Händel-Hochburgen in Halle, Göttingen und Karlsruhe grenzt das an ein kleines Wunder. Noch im ausgehenden 20. Jahrhundert war das „Dramma per musica“ noch Rarität, heute findet man sie alle längst auf CD oder im Streaming. Was also macht den Reiz dieser Opern aus? Ist es die emotionale Unmittelbarkeit des sängerischen Vortrags? Die Virtuosität der Koloraturen? Das inszenierte Bühnenspektakel? Das trotz allem langsam fortschreitende und damit überschaubare Libretto (moderne Übertitel helfen beim Verstehen)? Die im Vergleich zu manch unendlicher Melodie in Umfang und Form überschaubaren Arien? Oder einfach nur die Musik, die sich auch ohne besondere Kenntnisse erschließt?

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Rinaldo trotzt dem Sturmwind. Foto: Felix Grünschloß

Rinaldo trotzt dem Sturmwind. Foto: Felix Grünschloß

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Wie man sich der Oper nähert, ist freilich auch abhängig vom Plot und dem, was die Regie zeigen möchte. In Kiel (Rodelinda) blieb das düstere Bühnenbild aus Friedhofskreuzen und verhüllten Skulpturen auch nach genau 300 Jahren fast statisch: Hier stand im Spiel um Intrigen, Macht und Liebe die psychologische Entwicklung der Protagonisten im Zentrum. Karlsruhe brachte mit der 2. Fassung des Rinaldo (1731) eine Rarität auf die Bühne; Händel selbst musste das Werk nach sechs Aufführungen absetzen. Obwohl in der Handlung glaubhafter und durch einige Übernahmen erfolgreicher Arien aus anderen, eigenen Opern sicherlich in der Überarbeitung kalkuliert, handelt es sich noch immer um eine Form der Zauberoper – was die Regie ernstlich fordert und auf der Bühne Effekte verlangt. Ein heikles Unternehmen. Denn wie lässt sich die innere Spannung über fast drei Stunden bewahren, ohne in ein äußeres Spektakel umzukippen (offenbar war dies bereits 1711 bei der 1. Fassung der Fall, jedenfalls wurden die Maschineneffekte durch die Presse so heftig kritisiert, wie sie vom Publikum gefeiert wurden). 

Die Inszenierung von Hinrich Horstkotte hinterließ da ein eher zerrissenes Bild. Erschien der Beginn des 1. Akts eher unbeweglich, der Gegenspieler Argante dann aber seltsam grotesk überzeichnet, kam in den beiden anderen Akten die Bühnentechnik umfänglich auch in teilweise offenen Fahrten zum Einsatz. Sturmwind und Gewitter standen indes nur wenige Bilder gegenüber, die wirklich die Szene intensivierten. Dass Almirena (gesungen von der fantastischen Suzanna Jerosme) schließlich über den Orchestergraben bis ins Auditorium vorstieß, sorgte für ausgesprochen gute Stimmung und aufbrandenden Applaus, wirkt aber im Nachhinein wie ein Griff in die Theater-Trickkiste.

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Reihe 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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