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Hindemiths „Das Nusch-Nuschi“ auf YouTube
Hindemiths „Das Nusch-Nuschi“ auf YouTube
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nmz news update_190604: Rückblick und Zukunft | Classical:NEXT in Rotterdam | Premieren in Frankfurt (Szymanowski) und Dessau (Dvořák) | Musik im Radio | News

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Unsere Musiklandschaft ist an sich gar nicht so übel. Ab und zu hilft da ein Blick in die Vergangenheit. Wir erinnern an Felicitas Kukuck, Opernuraufführungen von Paul Hindemith im Jahr 1921 und schwenken über zu Zukunft der Staatsoper unter den Linden, der Bedeutung von YouTube für Jugendliche, bevor wir uns von Philipp Krechlak über Classical:NEXT in Rotterdam und Moritz Eggert über den Stand gesellschaftsästhetischer Fragen ins rechte Licht setzen lassen. Premieren in Dessau (Dvořáks „Katja und der Teufel“ – eine Glanzleistung) und Karol Szymanowskis „Król Roger“ an der Oper Frankfurt (alles zu symbolistisch) machen den Schluss.

Rückblick 1 

Heute im Jahr 1921 wurde an der Staatsoper Stuttgart die Oper „Mörder, Hoffnung der Frauen“ des 25-jährigen Paul Hindemith zusammen mit seinem Spiel für „burmanische Marionetten“ „Das Nusch-Nuschi“ uraufgeführt. Das Opern-Lexikon von Reclam schreibt dazu: „Die Lieblingsfrau eines oriental. Fürsten betrügt den Gatten mit einem seiner Freunde, worauf dieser mit Kastration bestraft wird. Den Vollzug dieser Strafe illustrierte Hindemith durch ein musikalisches Zitat aus Tristan und Isolde, wodurch die vehemente Ablehnung des Stücks beim Publikum besiegelt war.“ [Das Nusch-Nuschi. Reclams Opernlexikon, S. 1809 (c) 2001 Philipp Reclam jun.]. Geschrieben wurde „Mörder, Hoffnung der Frauen“ bereits 1919. Ein mordsexpressives Werk, dessen Beginn von einer Kraft durchtrieben ist, die nach Aufbruch und Abbruch zugleich klingt. („Mörder Hoffnung der Frauen“ bei Youtube nachzuhören – hier das „Nusch-Nuschi“).

Rückblick 2

Heute vor 18 Jahren starb die Komponistin Felicitas Kukuck. Verena Fischer-Zernin hat vor fünf Jahren, anlässlich ihres 100. Geburtstag ein Portrait gezeichnet: Die Phantasie entzündet sich an den Worten – In der Biographie der Komponistin Felicitas Kukuck spiegeln sich deutsche Zeitläufte auf exemplarische Weise.

Zukunft 1

Heute um 15 Uhr: Einladung zur Pressekonferenz zur Zukunft der Staatskapelle Berlin und der Staatsoper Unter den Linden. Es sprechen zu Ihnen der Senator für Kultur und Europa, Dr. Klaus Lederer, Vertreter*innen des Orchestervorstandes der Staatsoper Unter den Linden, Susanne Schergaut und Volker Sprenger, der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim, sowie der Intendant der Staatsoper Unter den Linden, Matthias Schulz. So steht es in der Pressemitteilung. Noch munkelt niemand etwas genaues. Aber so manches wie Arno Lücker auf Facebook: „Ich glaube, er kriegt noch fünf Jahre und dann gibt es einen ‚Übergang‘. Lederer wird schwelgen, was für eine künstlerische Persönlichkeit Barenboim ist. Schlussfoto. Ende.“

Zukunft 2

YouTube, YouTube, YouTube. Der Rat für kulturelle Bildung veröffentlicht eine Studie zu Jugend / YouTube / Kulturelle Bildung (als PDF). Ganz kurz: YouTube ist ungeheuer wichtig. Das erklärt auch die vehemente Mobilisierung bei der Kritik der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im europäischen Binnenmarkt. Die Öffentlichkeiten verschieben sich. Ganz kurz nur auch aus der abschließenden Bemerkung zur Studie zitiert: „Dass die Jugendlichen zum anderen durchaus geteilter Meinung sind, was den direkten Vergleich von YouTube einerseits und Musikschulen, Jugendkunstschulen und Tanzschulen anderer-seits betrifft, ist interessant. Knapp die Hälfte der Jugendlichen kann keinen Zusammenhang zwischen einer Bildungseinrichtung und einer Video-Plattform erkennen – das ist strukturell betrachtet nachvollziehbar und verweist auf die hohe Bedeutung der lebensweltlichen Rahmung von Bildungsinstitution (als Lernort) vs. Internetplattformen (als Entspannungsort). … Die Potenziale von You-Tube im Hinblick auf Selbstlernaktivitäten in Bereichen Kultureller Bildung – durch Rezeption, aber auch durch eigene Produktion – könnten sich gegebenenfalls eher für solche Klientelgruppen erschließen, die klassischerweise weniger Musik- und Jugendkunstschulen aufsuchen. Angebote auf YouTube sind erstens kostenlos und zweitens ohne Fahrt- und Zeitaufwand erreichbar.“ Es wird noch etwas dauern, bis wir uns zum Inhalt der Studie in der nmz präziser äußern können.

Zukunft und Gegenwart 1

Musikkonferenz mit Weltblick – die Classical:NEXT in Rotterdam: Gewiss, auch deutsch(sprachig)e Konferenzen und Tagungen haben ihre Berechtigung, können sie doch aufgrund des homogeneren Fachpublikums wesentlich gezielter und detaillierter Themen setzen und durchdringen. Allerdings zeigt sich auf einer internationalen, thematisch breiter angelegten Konferenz wie der Classical:NEXT auch, dass der Blick durch die „deutsche Brille“ unbedingt und immer wieder aufgefrischt und neu fokussiert werden sollte. Unser Korrespondent Philipp Krechlak sieht scharf.

Zukunft und Gegenwart 2

Das Individuum im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: Moritz Eggert im Bad Blog Of Musick mit gesellschaftsästhetischen Überlegungen. „Jeder Mensch ist nun potentiell “Künstler”, die Vision von Beuys wird aber zur Schreckensvision, da es gar nicht um den schöpferischen Akt oder das Verständnis seines eigenen Zaubers geht, sondern alleine um das Präsentieren des Aktes an sich. Das kann ein alberner gefilmter Tanz sein, ein Video-Mem oder ein ‚Rant‘ zu irgendeinem politischen Thema, die Qualität liegt in der Zeichensetzung an sich, nicht notwendigerweise im Inhalt des Zeichens. Das “witzige” Internet-Mem kann vollkommen inhaltslos sein, es zeigt vielleicht ein Katzengesicht oder besteht aus einem amüsanten Spruch, Hauptsache es wird geteilt und als Zeichen wahrgenommen.“

Premieren

Allerlei Symbolistisches von Ratio und Rausch – Karol Szymanowskis „Król Roger“ an der Oper Frankfurt: Schon 1920 konstatierte der Frankfurt später eng verbundene Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt, dass die Musikwelt dem Kulturland Polen zwei Größen verdankt: den „elegischen Ekstatiker Chopin“ und den „ekstatischen Elegiker Szymanowski“. Dennoch kam es erst jetzt zur Frankfurter Erstaufführung des 1926 fertiggestellten und dann opernweltweit zwar wiederholt gespielten, aber doch in vieler Hinsicht besonderen Werkes. Nach einer begeisternden Bregenzer Festspielaufführung 2009 war Kritiker Wolf-Dieter Peter gespannt auf einen anderen Ansatz.

Musikalische Glanzleistung: Dvořáks „Katja und der Teufel“ in Dessau: Antonín Dvořák wollte in seinen letzten Lebensjahren nur noch für die Bühne komponieren. Vor „Rusalka“ vollendete er eine andere Märchenoper, die seit ihrer Uraufführung im Prager Nationaltheater 1899 in Tschechien zum Standardrepertoire gehört, sich aber im deutschen Sprachraum nach der Erstaufführung 1909 in Bremen nicht behaupten konnte. Ein kaum entschuldbares Versäumnis. Das Anhaltische Theater Dessau macht mit dem hierzulande unterschätzten Werk bekannt. Man feierte „Katja und der Teufel“ („Čert a Kača“) auch nach der zweiten Vorstellung mit langem Jubel. Eine Empfehlung von Roland H. Dippel.

Die Radiowoche bis zum 9.6.2019


Was sonst noch vielleicht wichtig war oder wird …


Radio-Tipp

23:03 bis 00:00 | SWR 2
SWR2 ars acustica: Außerirdische Mikroben und Vampire – Hörstücke und Kompositionen von und mit Lucrecia Dalt und Jenny Hval

Komposition und Realisation: die Autorinnen (Produktion: SWR/E-Werk Freiburg 2017/19). Außerirdische Mikroben haben seit langer Zeit den Menschen in Besitz genommen und steuern und lenken dessen Denken und Handeln. In Lucrecia Dalts surrealistischem Experiment finden sich Einflüsse aus Geotechnik, Künstlicher Intelligenz, aber auch der Ethik des Hörens und des Neuen Deutschen Films. Jenny Hvals Stücke widmen sich der Blutuntersuchung. Blut, das natürlich vergossen wird: Menstruationsblut. „Blood Bitch“ ist auch eine fiktive Geschichte, gefüttert von Charakteren und Bildern aus Horror- und Exploitation-Filmen der 1970er-Jahre.


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