6000 Besucher bei Moritzburg Festival - Kammermusik im Freien +++ Dirigent Andris Nelsons kehrt auf den Grünen Hügel zurück +++ Silbermann-Tage zwischen «Heimat und Welt» - Festival vor Beginn +++ Ein Abend voller Symbole: New Yorker Corona-Konzert endet vorzeitig
6000 Besucher bei Moritzburg Festival - Kammermusik im Freien
Moritzburg (dpa/sn) - Kammermusik bei Gänsegeschnatter: Das renommierte Moritzburg Festival hat auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie viel Publikum angelockt. Wie die Veranstalter nach Abschluss der diesjährigen Konzertreihe am Sonntag mitteilten, war das Musikfest unter freiem Himmel mit 6000 Besuchern voll ausgelastet. Alle Konzerte seien ausverkauft gewesen.
«Was für ein Glück für alle Musiker, Akademie-Teilnehmer und Zuhörer: Das Moritzburg Festival feiert ausgerechnet 2021 einen seiner erfolgreichsten Jahrgänge», erklärte der Künstlerische Leiter, Jan Vogler. Der Moritzburger Himmel habe sein Sternendach über das Schloss, die Bühne und das Publikum ausgebreitet. Graugänse und Schwalben hätten sich hier und da munter in die Musik eingemischt.
Tatsächlich schätzen Moritzburg-Fans die Verbindung zwischen Musik- und Naturerlebnis. Seit vergangenem Jahr spielt sich das Geschehen vor allem auf der Nordterrasse des barocken Jagdschlosses ab. Bei schlechter Witterung konnten die Veranstaltungen kurzerhand in die Kirche Moritzburg verlegt werden. Unter der Schirmherrschaft des spanischen Botschafters Ricardo Martínez spielten in diesem Jahr 29 Solistinnen und Solisten aus aller Welt, darunter der Cellist Christian Poltéra, der Pianist Louis Lortie, die Flötistin Magali Mosnier und Oboist Albrecht Mayer.
Die Moritzburg-Akademie für den Nachwuchs umfasste 40 junge Musikerinnen und Musiker aus 16 Ländern. Sie gestalteten unter anderem das musikalische Picknick auf Schloss Proschwitz, die «Lange Nacht der Kammermusik» und gingen als Moritzburg Festival Orchester auf Tour nach Bad Elster, Darmstadt und Berlin.
Das Moritzburg Festival entstand 1993 nach dem Vorbild des Marlboro Festivals in den USA. Nach einer Probenphase spielen Musiker aus allen Teilen der Welt Konzerte. So funktioniert auch die Moritzburg Akademie. Die Konzerte des diesjährigen Festivals sind noch bis kommenden Donnerstag auf der Streamingplattform Dreamstage zu erleben. Das 30. Moritzburg Festival findet vom 7. bis 21. August 2022 statt.
Dirigent Andris Nelsons kehrt auf den Grünen Hügel zurück
Bayreuth (dpa) - Mit einem umjubelten Konzert ist der lettische Dirigent Andris Nelsons zu den Bayreuther Festspielen zurückgekehrt. Fünf Jahre nach dem Eklat um seine kurzfristige «Parsifal»-Absage leitete der 42-Jährige am Sonntagabend ein Konzert mit Stücken aus drei Richard-Wagner-Opern. Schon im Vorfeld hatte Festspielleiterin Katharina Wagner betont, sich auf die beiden Konzerte mit Nelsons zu freuen - das zweite folgt am Mittwoch zum Abschluss der Spielsaison.
Die Konzerte sind Teil eines Ersatzprogramms für den in diesem Jahr ausgefallenen «Ring des Nibelungen». Dessen Neuinszenierung hatte wegen der Corona-Pandemie nicht umgesetzt werden können und soll 2023 auf die Bühne kommen. Stattdessen sind an den Nelsons-Abenden «Ring»-Werke zu hören, wenn auch in konzertanter Form.
Am Sonntag stand der Erste Aufzug aus der «Walküre» auf dem Programm - mit Bayreuth-Stammsänger Klaus Florian Vogt in der Hauptrolle. Vogt gab einen kraftvollen Siegmund, klar und mit Leichtigkeit. An seiner Seite glänzten Christine Goerke als Sieglinde und Günther Groissböck als Hunding. «Die Walküre» steht dieses Jahr als Neuinszenierung als einzige der vier «Ring»-Opern regulär auf dem Spielplan.
Im zweiten Teil des Abends gab es Stücke aus «Lohengrin» und «Parsifal» - wieder mit dem herausragenden Klaus Florian Vogt in den Hauptrollen. Der Tenor machte den Andris-Nelsons-Abend auch zu seinem Abend. Vom Publikum gab es überschwänglichen Applaus. Umjubelt wurden auch die Musiker, die normalerweise im Orchestergraben sitzen und in dem Konzert nun auf der Bühne platziert waren.
2016 war Andris Nelsons als Dirigent des «Parsifal» auf dem Grünen Hügel fest eingeplant. Jedoch überlegte er es sich anders und bat nur wenige Wochen vor der Premiere um die Auflösung seines Vertrages. Die Hintergründe für Nelsons überraschenden Rückzug blieben damals im Dunklen. Die Festspiele mussten kurzfristig Ersatz finden.
Silbermann-Tage zwischen «Heimat und Welt» - Festival vor Beginn
Freiberg (dpa/sn) - Die Silbermann-Tage zu Ehren des sächsischen Orgelbaumeisters Gottfried Silbermann (1683-1753) wollen in Zeiten von Corona Trost spenden. Wenige Tage vor Beginn des renommierten Musikfestivals luden die Organisatoren am Samstag Musikfans zum Besuch der Konzerte ein. Alle Gäste sollten wissen, dass sie sich bei den Veranstaltungen sicher fühlen können, sagte Festivalsprecherin Claudia Kallmeier der Deutschen Presse-Agentur. Man habe eigens eine Hygienebeauftragte für die Silbermann-Tage ernannt. Noch laufe der Vorverkauf aber verhalten. Bis 12. September sind 24 Veranstaltungen an zehn Orten geplant.
Das Festival wird alle zwei Jahre ausgerichtet und enthält auch einen internationalen Orgelwettbewerb. In diesem Jahr steht es unter dem Motto «Heimat und Welt» und möchte damit auf Erfahrungen der Menschen in der Pandemie zurückgreifen. «Was passiert, wenn sich die eigene Lebenswelt auf das heimatliche Umfeld reduziert? Wenn globale Themen plötzlich vor der eigenen Haustür stehen? Wenn die persönlichen Sorgen zugleich die Milliarden anderer Menschen sind?», schrieb die Gottfried-Silbermann-Gesellschaft als Ausrichter des Festivals auf ihrer Homepage. Der scheinbare Gegensatz der beiden Begriffe Heimat und Welt löse sich in der Pandemie auf und verschwimme.
«Die Silbermann-Tage werden Sachsen in der Welt strahlen lassen. Nach einer langen und entbehrungsreichen Zeit freuen wir uns auf ein ganz besonderes Festival und werden es gemeinsam feiern», betonte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als der Schirmherr des Festes. Das Motto könne treffender für diese Zeit und die Gefühle der Menschen kaum sein.
Das Fest will in diesem Jahr auch online stärker präsent sein als bisher. Die Imagekampagne «So geht sächsisch» unterstützt diverse Videoformate und Livestreams. So sollen unter anderem das Eröffnungskonzert und das Finale des Orgelwettbewerbs weltweit live im Internet übertragen werden.
Die Instrumente von Gottfried Silbermann werden noch heute in vielen Kirchen gespielt. Freiberg besitzt noch vier von vormals fünf Orgeln aus der Werkstatt Silbermanns. Insgesamt blieben 34 seiner Instrumente erhalten. Bis heute sind sie ein Ziel von Fachleuten aus aller Welt. Auch dem Bau von Cembali, Clavichorden und Hammer-Flügeln hat sich Silbermann gewidmet. Das Saitenschlagwerk «Cembal d' Amour» gilt als seine Erfindung. Mozart soll 1789 für ein Pianoforte (Klavier) aus dem Hause Silbermann «einen ansehnlichen Preis» geboten haben.
Ein Abend voller Symbole: New Yorker Corona-Konzert endet vorzeitig
Christian Fahrenbach, dpa
Nach anderthalb Jahren Pandemie wollten die New Yorker sich selbst feiern, Zehntausende waren zu einem Open-Air-Konzert in den Central Park gepilgert. Das Konzert musste wegen eines Gewitters abgebrochen werden - und wurde im Fernsehen doch noch zur Sternstunde.
New York (dpa) - Es sollte ein Abend der großen Symbole werden: Einige der größten Stars der Musikwelt sollten mit 60 000 Menschen in New York die Stadt feiern. Zelebriert werden sollte nicht nur das Comeback der Weltmetropole nach anderthalb schweren Jahren Corona-Pandemie - sondern all das, was Millionen Menschen weltweit an New York fasziniert: Kampfgeist trotz schwerster Herausforderungen und mehr Sinn für Unterhaltung als irgendwo anders.
Doch dann wurde bereits vor dem monatelang geplanten Großkonzert «We Love New York» die Kritik immer stärker: Die Fallzahlen in New York seien in einer vierten Corona-Welle wieder zu hoch gestiegen, hieß es. Selbst der vorgeschriebene Nachweis einer ersten Impf-Dosis für alle Besucher sei angesichts nur weniger Menschen mit Masken auf der «Great Lawn» genannten Wiese im Central Park unzureichend. Am Samstag sah es zunächst trotzdem so aus, als behielten die Optimisten Recht.
Zehntausende waren wie geplant - mithilfe überwiegend kostenloser Tickets - in den Park gekommen und feierten die Begrüßung von Star-Moderatorin Gayle King: «Wir waren einmal das Epizentrum dieses Virus. Jetzt schreiten wir voran, um zum Epizentrum der Heilung zu werden.» Die New Yorker Philharmoniker eröffneten den Abend und begleiteten Soul-Superstar Jennifer Hudsons stimmgewaltige Arie «Nessun Dorma» - vielen Besuchern auf der Großbildleinwand standen die Tränen in den Augen.
Das Tempo des auf fünf Stunden angesetzten Konzerts vor den meterhohen «NYC»-Lichtaufbauten war gut gewählt: Zwischen Genre-Stars wie Countrysänger Kane Brown, Pop-Klassik-Tenor Andrea Bocelli und den Hip-Hop-Legenden LL Cool J und Busta Rhymes spielten massentaugliche Acts wie Santana und Journey ihre Stadionrock-Hymnen «Maria, Maria» und «Don't Stop Believing». Die Besucher tanzten und freuten sich über das hochkarätige Staraufgebot.
Nach gut zwei Stunden kam dann schließlich die überraschende Wende: Ausläufer des für Sonntag im Nordosten der USA angekündigten Hurrikans «Henri» pressten Regen und Gewitter in die Stadt. Erste Blitze zuckten nahe des Central Parks - laut CNN waren sie gemäß Sicherheitsregeln zu nah, um das Konzert noch fortsetzen zu können. Gerade hatte der 78 Jahre alte Pop-Oldie-Sänger Barry Manilow mit «Copacabana» und «Mandy» die größten Hits seiner Karriere angestimmt, als die Organisatoren abbrachen.
Zunächst wurden die Zuschauer nur gebeten, Unterschlupf zu suchen, doch schließlich setzte heftiger Regen ein. Für einen Moment sah es danach aus, als würde nicht die Pandemie, sondern das Wetter dafür sorgen, dass die Kritiker mit ihren Warnungen vor einem Fiasko Recht behielten. Doch der Abend sollte sich noch einmal drehen.
Wer es zu diesem Zeitpunkt bereits nach Hause geschafft hatte, konnte dort auf CNN eine Sternstunde der TV-Unterhaltung unter schweren Bedingungen erleben. Moderator Anderson Cooper hatte Manilow hinter der Bühne im Künstlerzelt am Telefon und ließ sich unter Gelächter im Studio bestätigen, was dieser als nächsten Song geplant hatte: «I Made It Through The Rain» («Ich habe es durch den Regen geschafft»). Doch einmal gebeten, zögerte Manilow nicht lange und sang, begleitet von einem bereitstehenden Keyboard, den Song kurzerhand ins Telefon.
In die dann folgende spontane TV-Show mischte sich Hoffnung: Cooper erzählte, dass im Hintergrund Konzertveranstalter Clive Davis mit Bürgermeister Bill de Blasio verhandele. Könnten die noch ausstehenden Stars wie Elvis Costello, Patti Smith, The Killers und Bruce Springsteen vielleicht doch noch am späteren Abend ohne Zuschauer ihre Show fortsetzen?
Die Zeit bis zur Beantwortung dieser Frage überbrückte Cooper unter anderem mit spontanen Telefonplaudereien mit Costello und Smith, die hinter der Bühne auf eine Entscheidung warteten. Moderator Stephen Colbert bewies sich als herausragender Gesprächspartner («Ich muss weg, Schnorchel verteilen.») - und schließlich sangen die Killers ihren Hit «Mr. Brightside» improvisiert akustisch, live verwackelt mit dem Handy abgefilmt von King, eigentlich Starmoderatorin vom Konkurrenzsender CBS.
Kurzweilig füllte Cooper die Zeit, bis gegen 22.30 schließlich das endgültige Aus kam. «Es wird nicht mehr passieren, ich bin am Boden», sagte der Moderator. Im strömenden Regen mussten einige Hundert unerschütterlich ausharrende Fans den Platz vor der Bühne verlassen. Zu sehen waren Helfer, wie sie Instrumente abbauten und sich umarmten. Besser als es bei jedem geplanten Konzert möglich gewesen wäre, hatten viele Menschen in der Stadt aber am Ende bewiesen, was New York besonders gut kann: Aus widrigen Umständen das Beste machen.