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Schlagabtausch zwischen DOV und SWR zu den Orchester-Sparplänen – kaum Widerstand aus dem Landesrundfunkrat zu erwarten [update: Hans Zender meldet sich zu Wort]

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Der Südwestrundfunk (SWR) und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) haben sich heute via Pressemitteilungen einen ersten Schlagabtausch zu den Orchester-Sparplänen des Senders geliefert. Nachdem DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens zunächst den Erhalt beider Orchester gefordert hatte, wies SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann den Vorwurf zurück, die Pläne basierten auf Spekulationen bezüglich künftiger Einnahmen. Unterdessen liegen der nmz Hinweise vor, denen zufolge aus dem Landesrundfunkrat kein nennenswerter Widerstand gegen die Sparvorhaben des SWR zu erwarten ist.

„Wir sehen die Einsparvorgaben der SWR-Geschäftsleitung in Höhe von 25 Prozent der Einzeletats als völlig überzogen an“, hatte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens am späten Donnerstag Vormittag vermelden lassen. „Angesichts der gesetzlichen Umstellung der Rundfunkgebühr auf eine Haushaltsabgabe ab dem 1. Januar 2013 kann gegenwärtig keine einzige Rundfunkanstalt konkrete Haushaltszahlen für 2014 und die Folgejahre vorlegen. Trotz dieser Ungewissheit will der SWR schon jetzt schwerwiegende Strukturentscheidungen treffen, die bis weit über 2020 hinausreichen würden. Bewährte Orchesterstrukturen würden unwiederbringlich zerstört werden. Das müssen wir entschieden ablehnen“, so Mertens weiter.

Vier Stunden später konterte SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann Mertens’ Vorwurf, wobei er die noch nicht näher konkretisierten Sparpläne kühn als „Zukunftssicherung der SWR-Orchester“ bezeichnete: „Die Überlegungen zur Zukunftssicherung der SWR-Orchester basieren nicht auf Spekulationen über zukünftige Einnahmen durch den Rundfunkbeitrag ab 2013, sondern auf der finanziellen und demografischen Entwicklung der vergangenen Jahre.“ Man sei beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (RSO) und beim SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (SO) „schon jetzt an der Untergrenze bei Personal und Finanzen angekommen“, so Hermann weiter. Angesichts einer bis 2020 zu erwartenden finanziellen Lücke von 166 Millionen Euro, müsse man gegensteuern, um einen „massiven Qualitätseinbruch“ zu verhindern. Eine Entscheidung bezüglich der verschiedenen „Szenarien, die alle überhaupt erst mittelfristig, also frühestens ab 2016, spruchreif“ würden, sei im übrigen noch nicht gefallen.

Seine Pressemitteilung beschloss Hermann mit Beschwichtigungsformeln für die Orchestergewerkschaft („Es wird keine betriebsbedingten Entlassungen geben, sondern eine Arbeitsplatzgarantie für die Orchestermitglieder.“) und dem allgemeinen Bekenntnis: „Wir stehen zu unserem Kultur- und Bildungsauftrag, genauso wie zu unserem Auftrag zu Information und Unterhaltung.“

Der nmz liegen mittlerweile Hinweise vor, dass sich im Landesrundfunkrat kaum substanzieller Widerstand gegen eine wie auch immer ausgestaltete Kürzung bei den SWR-Orchestern formiert. Für die kommende Entwicklung dürfte es also von entscheidender Bedeutung sein, wie viele Stimmen von außerhalb sich gegen die SWR-Pläne erheben werden. Bisher hatten sich der Deutsche Musikrat, Ex-Innenminister Gerhart R. Baum und die Gesellschaft für Neue Musik öffentlich gegen die Sparvorhaben gewandt.

[update 12.3.:] Unterdessen hat sich der Komponist Hans Zender, seit 1999 ständiger Gastdirigent des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg (SO), in einem Gastbeitrag in der Badischen Zeitung zu Wort gemeldet. Zender spricht darin von einer „technokratische[n] Attacke der schlimmsten Art“, die den beiden Orchestern drohe und unterstreicht insbesondere die Verdienste des SO, nicht nur als herausragender Klangkörper für die Neue Musik, sondern auch in seiner Vermittlungsfunktion: „Ein Orchester ist nicht einfach ein Apparat von Fachkräften, sondern eine vibrierende geistige Kraftquelle, welche ungezählten Menschen Energie, Lebensmut und unschätzbare Anregungen gibt.“

 

Im nmzMedia-TV-Studio auf der Frankfurter Musikmesse werden am Freitag, den 23. März (10.00 Uhr) zunächst SWR-Intendant Peter Boudgoust, SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann, DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens und DMR-Generalsekretär Christian Höppner die Pläne diskutieren, am Nachmittag (14.00 Uhr) sind Sylvain Cambreling, der frühere Chefdirigent des SWR-SO und Musikkritiker Gerhard Rohde (nmz, FAZ) zu Gast am ConBrio-Stand (Halle 3.1, C 53).